Es wird ein langer Abend. Vor zahlreich erschienenen Zuhörern beginnen Neun Welten aus Leipzig/Halle als erste von vier Programmpunkten ihren Auftritt. Der Name der Band leitet sich aus der nordischen Mythologie ab. Neun Welten tritt in einer Rumpfbesetzung mit Gitarre, Cello, Violine/Keyboards und Schlagzeug auf, was die Qualität ihrer Musik aber nicht mindert. Ihren Stil kann man am besten als Dark Folk beschreiben. Ihre Texte sind von der romantischen Dichtung beeinflusst, die Musik bewegt in eher ruhigen Bahnen. Die geschmackvollen Kompositionen erzeugen eine zum Träumen anregende Atmosphäre. Vielleicht besteht in nächster Zeit mal die Gelegenheit, die Band in kompletter Besetzung
in einem Konzert über die volle Länge zu erleben. Auf die Frage, wo sie stilistisch angesiedelt ist, antwortet Evi Vine, es sei eine Art Dark Mischmasch. Die Frontfrau aus dem britischen Kent spielt Gitarre und weiß mit ihrer sinnlichen Stimme zu überzeugen. Begleitet wird sie von Steven Hill (Gitarre(Keyboards), Ben Roberts (Cello) und Al Richardson (Drums). Musikalisch herrscht eine dichte, melancholische Emotionen erzeugende Stimmung. Die Musiker mit ihrem gekonnten Ensemblespiel verzichten auf allen Schnickschnack und stellen ihr Können in den Dienst der sehr persönlich gehaltenen Stücke.
Man kann sich schon jetzt auf ein Wiedersehen beim Wave Gothic Treffen 2012 in Leipzig freuen. Die Violine nimmt in der britischen Rockmusik seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre einen gewichtigen, teilweise stilbildenden, Platz ein. Als Beispiele seien hier Darryl Way von Curved Air, Dave Arbus von East Of Eden und Rick Grech von Family aufgeführt. In dieser Tradition bewegt sich Matt Howden mit seinem Soloprojekt Sieben. Es wäre zu einfach, ihn darauf zu reduzieren. Mit einem furiosen Auftritt zeigt er, was ein Musiker allein mit einer Violine zustande bringen kann, er setzt so gekonnt Sampling, Loops und andere elektronische Effekte ein, dass der Eindruck entsteht, er wird von einer Band begleitet. Erwähnenswert ist auch seine warme Stimme, die sich nahtlos einfügt und seinen Stücken einen ganz besonderen Touch verleiht. Der tanzende Derwisch aus dem englischen Sheffield benutzt sein Instrument nicht nur auf herkömmliche Art, er erzeugt auf ihm mit seiner Stimme Rückkopplungseffekte, gebraucht es als Zupf- und Perkussionswerkzeug.
Die ebenfalls aus Sheffield stammenden In The Nursery mit ihren Mitgliedern David Elektrik, Dolores Marguerite C, Klive Humberstone und Nigel Humberstone sind der vierte und letzte Act des Abends. Sie kreieren einen Stil, der die Bezeichnung Neo-Classical/Martial Electronica trägt. Die Musik ist geprägt von einem massiven Einsatz von Keyboards und Perkussionsinstrumenten, darunter Militärtrommeln. Daraus entsteht ein sehr massiver, dramatischer Sound, der auch schon in diversen Filmen (Das Cabinet des Dr. Caligari, The Passion of Joan of Arc u.a.) als Bestandteil des Soundtracks eingesetzt wurde. Nachdem sich im Mittelteil ihres Konzerts doch einige Längen eingeschlichen haben, bringt eine Kollaboration mit Matt Howden wieder mehr Leben auf die Bühne.
Der Abend mit seiner gut konzipierten Musikzusammenstellung kann als voller Erfolg bezeichnet werden. Besonderes Lob sei den Lichttechnikern gezollt, die für eine ausgezeichnete Lichtdramaturgie in hoher Qualität sorgen.
Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch