Justin Sullivan & Dean White - Volle Bandbreite im Werk 2

Justin Sullivan tritt an das Mikrophon und beginnt einen neuen Song. Plötzliches Stutzen nach ein paar Blicken zu den Spots, Abbruch. Die Technikcrew wird angewiesen, die Beleuchtung von rot/blau auf rot/gelb umzustellen. Diese kleine Episode veranschaulicht, wie sehr Justin Sullivan bei seinen Konzerten auf vermeintlich nebensächliche Details achtet. Im Verlauf des Auftritts von Justin Sullivan und Dean White wird sich zeigen, dass dieser einer klug strukturierten Dramaturgie folgt. Das Duo tritt in der Halle D vom Werk 2 auf, Veranstalter ist die naTo. Justin Sullivan, Mastermind der englischen Band New Model Army, tourt seit einiger Zeit mit deren Keyboarder/Gitarristen Dean
White durch kleinere Clubs. Das Programm beginnt mit dem balladesken, schwermütigen "Someone Like Jesus", Anklänge an Leonard Cohen sind nicht zu überhören. Nach weiteren, eher ruhigen, aber einer ständig steigenden Spannungskurve folgenden Stücken, folgt das irisch angehauchte "Into The Wind".

Justin Sullivan versteht sich als Geschichtenerzähler, "Tales Of The Road" ist einer der vielen Belege dafür. Der charismatische Sänger und Gitarrist bezog seit der Gründung von New Model Army Ende der 1970er Jahre kritische Distanz zum politischen Kurs der neoliberalen Thatcher-Regierung und verarbeitete dessen Folgen in seinen Texten. Bei "Another Imperial Day" rappt er Solo, danach zieht das Tempo mit "Notice Me" und den folgenden Titeln merklich an. Mit der wunderschönen Ballade "Marry The Sea" wird wieder ein Ruhepunkt gesetzt, der von dem intensiven, schnellen "Ocean Rising" kontrastiert wird. "You Weren´t There" ist einer der vielen Höhepunkte des Abends, Justin Sullivan wird nur von Dean White´s Keyboards begleitet. Er flicht in seinen unnachahmlichen Gesang das Spiel auf einer Mundharmonika ein. Hier bestätigt sich der Eindruck, dass das Duo perfekt aufeinander eingestimmt ist. Dean White hat beim abschließenden "Vanity" die Gelegenheit, mit rasanten Gitarrenläufen zu glänzen.

Das begeisterte Publikum gibt dann natürlich keine Ruhe und wird mit einem üppigen Zugabenblock belohnt, der die Bude noch einmal richtig zum Kochen bringt. Nach gut zwei Stunden ist dann leider Schluss. Bei einer Ansage im ersten Konzertteil erwähnte Justin Sullivan, bei dieser Tour über sechs Stunden spielen zu wollen (aber nicht an diesem Abend). Keiner der Zuhörer hätte da wahrscheinlich etwas dagegen gehabt.

Die Setlist: Someone Like Jesus; One Bullet; LS43; North Star; Aimless Desire; Into The Wind; Tales Of The Road; Another Imperial Day; Notice Me; Turn Away; Dawn; Marry The Sea; Ocean Rising; Wipeout, o.T.; You Weren´t There; Vanity; o.T.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Swimmingpool in der Schaubühne Lindenfels Leipzig

Dem Veranstalter gebührt Lob für einen Konzertabend, an dem er zwei Formationen mit der gleichen klassischen Besetzung Gitarre, Bass, Drums jedoch total gegensätzlichen Musizierweisen auftreten ließ. Interessanterweise war die Reihenfolge ihrer Performances nicht wie vermutet im historischen Kontext der von ihnen vertretenen Musikstile sondern in chronologischer Umkehr. Zum einen wird an diesem Abend das Konzept des Power Trios in der Tradition von Cream und der Jimi Hendrix Experience sowie Postrock angeboten. Der weit umfassende Begriff des Postrock geht vom Anspruch aus, die klassischen Rockformeln zu erweitern und die von ihnen frei gelassenen Räume zu füllen. Auf die Posen von normalen
Rockmusikern sowie Gesang wird weitestgehend verzichtet. Doch nun zu den Protagonisten des Abends (beide Gruppen spielen eigenes Material) und ihrer Musik: Den Anfang machte die dem Postrock zugehörige Leipziger Band jeffk.

Wie bei vielen Formationen ihres Genres spielen sie eine rein instrumentale Musik. Nach dem Einstieg mit elektronischen Effekten in den ersten Titel "Der Verräter" bauen sie auf einem soliden rhythmischen Fundament ihre Klanggebilde auf. Nach einem kleinen Spannungsabfall während der Hälfte des Konzerts bieten die drei Musiker bei den letzten beiden Titeln "Kaleidoskop" und "Like Swimmingtrees" einen furiosen Ausklang ihres Auftritts. Im Retrorock genießen in den letzten Jahren sogenannte Power Rock Trios eine zunehmende Beliebtheit, verwiesen sei hier auf die Norweger Motorpsycho und die Briten The Brew.

In diesem Umfeld ist die 3Apes Band zuhause. Nach einigen Problemen haben sich Technik und Band ab dem dritten Titel "Lazy Bum" freigespielt. Jetzt geht es richtig zur Sache, ein voluminöser funkiger Bass, variable Drums und eine souveräne Gitarre sorgen bei einem Teil des Publikums für Tanzlaune. Mit "Affen dieser Stadt" als Zugabe beenden die 3 "Affen" ihr Konzert. Man hätte dem Veranstalter und den Bands einen größeren Publikumszuspruch gewünscht, aber der schöne Spätsommertag schien seinen Tribut zu fordern.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

John Cale - Ein seltener Gast - Konzert in der Peterskirche Leipzig

Der Waliser Musiker, Komponist und Produzent John Cale ist in Deutschland nicht gerade ein regelmäßig tourender Gast. Um so faszinierender ist es, seine Auftritte, ob solo oder mit Band, verfolgen zu können. Zudem hat er seine Fans mit seinem neuen Album "Shifty Adventures in Nookie Wood" nach siebenjähriger Wartezeit überrascht. Es würde den Rahmen sprengen, alle Stationen seines Lebenswerkes zu würdigen, dessen bekanntestes Kapitel die Zugehörigkeit zur Gründungsformation der revolutionären Velvet Underground sein dürfte. Der Grundtenor seines musikalischen Schaffens, egal ob purer Rock´n´Roll, Ballett- und Filmmusiken oder diverse Crossover-Projekte, ist im Wesentlichen von einem melancholischen, düsteren, manchmal sogar aggressiven Sound
geprägt.

Dazu kommt eine unverwechselbare Stimme, die zu diesem Gesamteindruck beiträgt. John Cale beschäftigt sich in seiner Musik seit eh und je mit Phänomen und Personen der Kunst- und Kulturgeschichte. Auch der Einstieg in das heutige Konzert mit "Hedda Gabler", der Titelfigur eines Dramas von Henrik Ibsen gehört zu diesem Genre und setzt die für ihn markanten Akzente. Die Musiker seiner Band, zu denen Dustin Boyer (E-Guitar), Joey Maramba (Bass) und Alex Thomas (Drums) gehören, begleiten John Cale (Vocals, Guitar, Keyboards) intensiv und kompetent.

Danach folgt mit "Captain Hook" ein weiteres Stück aus den 1970er Jahren, anschließend ein Block mit Titeln seines aktuellen Albums "Shifty Adventures in Nookie Wood". Auch hier bleibt er sich und seiner Linie treu, die Lieder sind in sich stimmig und durchdacht komponiert. Wie immer verschließt er sich neuen Technologien nicht und nutzt diese, um die Ausdrucksfähigkeit seiner Musik zu betonen. Besonders erwähnenswert sind vielleicht "December Rains" und "Scotland Yard".

Natürlich dürfen Klassiker wie "Leaving It Up To You" und "Guts" nicht fehlen. Es fällt auf, dass John Cale und seine Begleiter sehr relaxt bei der Sache sind. Es muss allerdings erwähnt werden, dass die akustische Qualität mit der Klasse des Konzerts bei weitem nicht mithalten kann, es fällt mitunter schwer, die Klänge differenziert zu erfassen.

Bedingt durch die langen Nachhallzeiten in der Peterskirche erschlagen die tiefen Frequenzen fast den Rest. Schade, aber die Peterskirche dürfte für diese Art von Performance nicht der geeignete Ort sein. Trotzdem animiert ihn das zahlreich erschienene Publikum noch zwei Zugaben, das bekannte "Dirty Ass Rock´´n´´Roll" zieht den Schlussstrich unter John Cales Auftritt.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

In The Nursery - Vier musikalische Trümpfe in der Theaterfabrik Sachsen Leipzig

Es wird ein langer Abend. Vor zahlreich erschienenen Zuhörern beginnen Neun Welten aus Leipzig/Halle als erste von vier Programmpunkten ihren Auftritt. Der Name der Band leitet sich aus der nordischen Mythologie ab. Neun Welten tritt in einer Rumpfbesetzung mit Gitarre, Cello, Violine/Keyboards und Schlagzeug auf, was die Qualität ihrer Musik aber nicht mindert. Ihren Stil kann man am besten als Dark Folk beschreiben. Ihre Texte sind von der romantischen Dichtung beeinflusst, die Musik bewegt in eher ruhigen Bahnen. Die geschmackvollen Kompositionen erzeugen eine zum Träumen anregende Atmosphäre. Vielleicht besteht in nächster Zeit mal die Gelegenheit, die Band in kompletter Besetzung
in einem Konzert über die volle Länge zu erleben. Auf die Frage, wo sie stilistisch angesiedelt ist, antwortet Evi Vine, es sei eine Art Dark Mischmasch. Die Frontfrau aus dem britischen Kent spielt Gitarre und weiß mit ihrer sinnlichen Stimme zu überzeugen. Begleitet wird sie von Steven Hill (Gitarre(Keyboards), Ben Roberts (Cello) und Al Richardson (Drums). Musikalisch herrscht eine dichte, melancholische Emotionen erzeugende Stimmung. Die Musiker mit ihrem gekonnten Ensemblespiel verzichten auf allen Schnickschnack und stellen ihr Können in den Dienst der sehr persönlich gehaltenen Stücke.

Man kann sich schon jetzt auf ein Wiedersehen beim Wave Gothic Treffen 2012 in Leipzig freuen. Die Violine nimmt in der britischen Rockmusik seit der zweiten Hälfte der 1960er Jahre einen gewichtigen, teilweise stilbildenden, Platz ein. Als Beispiele seien hier Darryl Way von Curved Air, Dave Arbus von East Of Eden und Rick Grech von Family aufgeführt. In dieser Tradition bewegt sich Matt Howden mit seinem Soloprojekt Sieben. Es wäre zu einfach, ihn darauf zu reduzieren. Mit einem furiosen Auftritt zeigt er, was ein Musiker allein mit einer Violine zustande bringen kann, er setzt so gekonnt Sampling, Loops und andere elektronische Effekte ein, dass der Eindruck entsteht, er wird von einer Band begleitet. Erwähnenswert ist auch seine warme Stimme, die sich nahtlos einfügt und seinen Stücken einen ganz besonderen Touch verleiht. Der tanzende Derwisch aus dem englischen Sheffield benutzt sein Instrument nicht nur auf herkömmliche Art, er erzeugt auf ihm mit seiner Stimme Rückkopplungseffekte, gebraucht es als Zupf- und Perkussionswerkzeug.

Die ebenfalls aus Sheffield stammenden In The Nursery mit ihren Mitgliedern David Elektrik, Dolores Marguerite C, Klive Humberstone und Nigel Humberstone sind der vierte und letzte Act des Abends. Sie kreieren einen Stil, der die Bezeichnung Neo-Classical/Martial Electronica trägt. Die Musik ist geprägt von einem massiven Einsatz von Keyboards und Perkussionsinstrumenten, darunter Militärtrommeln. Daraus entsteht ein sehr massiver, dramatischer Sound, der auch schon in diversen Filmen (Das Cabinet des Dr. Caligari, The Passion of Joan of Arc u.a.) als Bestandteil des Soundtracks eingesetzt wurde. Nachdem sich im Mittelteil ihres Konzerts doch einige Längen eingeschlichen haben, bringt eine Kollaboration mit Matt Howden wieder mehr Leben auf die Bühne.

Der Abend mit seiner gut konzipierten Musikzusammenstellung kann als voller Erfolg bezeichnet werden. Besonderes Lob sei den Lichttechnikern gezollt, die für eine ausgezeichnete Lichtdramaturgie in hoher Qualität sorgen.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Itchy Poopzkid und Mega! Mega! im Anker Leipzig

Die Wahlberliner Mega! Mega! machen den Anfang an einem Abend, der vor allem junges Publikum angezogen hat. Die 2009 in Saarlouis gegründete Band kursiert unter der mittlerweile etwas ausgelutschten Bezeichnung Indie Rock und bringen ihr Debüt-Album "Behalt die Nerven" zu Gehör, das gleich bei einem Majorlabel veröffentlicht wurde. Ursprünglich bezieht sich der Begriff Indie-Rock auf Bands, die ihr meist wenig kommerzielles Material auf kleinen Schallplattenlabels (Independent Labels) veröffentlichten. Im Laufe der Zeit hat sich der Begriff mehr oder weniger verselbstständigt, unter diesem Markenzeichen wird nun, speziell in Deutschland, fast alles verwurstet. Die Musik von Mega! Mega! ist fast ausschließlich auf
Party ausgerichtet, ihre Bandbreite wird von nicht sehr variablen Gitarrenriffs bestimmt. Auch das Songwriting bewegt sich in einem relativ engen Rahmen, so dass ihr Auftritt keinen großen nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Von Gänsehautgefühlen, die bei Konzerten wirklich großer Bands entstehen kann keine Rede sein.

Laut Aussage der Band ist der Name Itchy Poopzkid noch beschissener als Nutella, unter deren Namen sich das Trio im Jahr 2000 in Esslingen gründete. Nachdem sie anfänglich hauptsächlich Punk- und Metalstücke gecovert hatten, besannen sie sich auf ihr Talent, eigenes Material zu schreiben, das sich auf stolzen fünf Alben und etlichen Singles präsentiert. "Ports &; Chords" heißt ihr neuestes Werk und steht im Mittelpunkt des heutigen Abends. Gesang, Gitarre und E-Bass werden von Sibbi, Gesang, E-Bass, Gitarre von Panzer und das Schlagzeug von Max bedient, während ihres Konzerts tauschen sie des öfteren mal ihre Instrumente. Stilistisch sind sie im wesentlichen dem Punk treu geblieben, auch Metal und Sixties- Ikonen wie die Kinks haben ihre Einflüsse hinterlassen. Das musikalische Spektrum bewegt sich zwischen Haudrauf-Krachern bis hin zu Balladen und ist erfreulich kurzweilig.

>Einzig und allein die akustische Qualität speziell des Gesangs entspricht keinen höheren Ansprüchen, der Tontechniker hat sichtbar mit den Widrigkeiten der Räumlichkeit zu kämpfen. Egal, die Fans nutzen die Möglichkeit, richtig abzutanzen und lassen sich ihre gute Laune nicht verderben.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch
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