Ach, es ist einfach nur traurig. Nun hatte ich die Hoffnung, nach dem Parodie-"Käthchen" am Gorki-Theater eine spannende Entdeckung des Stückes bei der Premiere von Andreas Kriegenburgs Inszenierung dieses Kleist-Dramas am Deutschen Theater zu machen, aber leider war der Abend auf eine andere Art genauso enttäuschend. Denn war es bei Bosse eine konsequente Alberei, gab es hier eine bemühte, kopflastige Annäherung über den Weg der Entstehungsgeschichte unter der Bedingung akuten Geldmangels. Das mag für Literaturwissenschaftler sicher interessant sein, aber auf dem Theater wurde es zu einem Etüden-Spiel mit allerlei Regie-Einfällen. Im vom Regisseur selbst entworfenen Bühnenbild, einem Bretter- Kasten, sind
die Wände mit Manuskript-Seiten übersät und sechs Schauspieler dürfen sich als Verkörperungen Kleists an die Stückentwicklung machen. Fertig geschriebene Szenen werden gespielt, wobei jeder jeden Part übernimmt. Es wirkte auf mich wieder einmal so, als würde jemand inszenieren, der sonst mit Schauspielstudenten versucht, für ein interessantes Studioprojekt schauspielerische Mittel anhand des Textes zu trainieren.
Es ist doch purer Etikettenschwindel, wenn man behauptet, das Kleistsche Stück zu spielen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Gros der Zuschauer so weit im Stoff steht, dass es auch nur im Ansatz begreifen kann, worum es jeweils geht. Man muss langsam befürchten, dass es häufig schon lange nicht mehr darum geht, viele Zuschauer zu erreichen, sondern nur noch darum, mit dem hervorragenden Material des Theaters, speziell den Schauspielern, sich selbst zu verwirklichen. Ja, auch die Schauspieler (Barbara Heynen, Judith Hofmann, Elias Arens, Alexander Khuon, Markwart Müller-Elmau, Jörg Pose), die allemal wirklich das Stück spielen könnten, werden hier nur gnadenlos als Material benutzt. Wenn man sich überlegt, dass der Beruf des Schauspielers viel, viel älter ist als der des Regisseurs...
Und irgendwie müsste da auch mal der Geldgeber genauer abwägen. Denn es kann nicht gerecht sein, dass die Theater, die mit ihrer Arbeit wirklich ein breites Publikum erreichen, - noch dazu häufig mit herausragender Qualität - unvergleichlich schlechter oder gar nicht subventioniert werden.
Rainer Gerlach für radio-mensch