Das LOFFT bietet optimale Rahmenbedingungen für zwei intime Stücke für die Tänzerin Sandrine Burin aus Paris und den Tänzer Orin Camus aus Bordeaux. "Ch(ose)" ("Dinge wagen") Ein gläsernes Rohr, ähnlich einer großen Vogelvoliere, hängt in der Mitte des dunklen Raumes in einem Lichtkreis. Sandrine Buring betritt die Bühne, sucht Kontakt zum Licht, bringt das Rohr in Bewegung und kriecht mit nacktem Oberkörper hinein, atmet lange und intensiv und versucht an ihrem Zustand des Gefangenseins etwas zu verändern, versucht zu fühlen, zu sprechen, zu sehen, den ganzen Körper zu bewegen. Durch die unregelmäßige Glasstärke sieht der Zuschauer teilweise verzerrte Bilder ihres
Körpers. Am Ende verharrt sie in einer hilflosen Position - gefangen in und mit sich selbst. Es gibt keine Musik bei der Performance, alle Konzentration ist beim Geschehen auf der Bühne - frei von jeglicher Eitelkeit setzen die Bewegungen der Hände, der Arme, des Kopfes kleine Zeichen und rufen nach Zuwendung.
Die Performance geht auf Begegnungen von Sandrine Buring mit mehrfach behinderten Kindern im Krankenhaus von La Roche-Guyon zurück. Es ist ihr gelungen, einen beinah hilflosen Körper und eine in sich geschlossene Seele zu zeigen - wie man damit umgeht und was daraus entstehen kann bleibt offen und gibt ein wenig Hoffnung, dass jeder aus der Enge seiner gläsernen Hülle heraustreten kann. "Circle moods" ("Kreisstimmungen") Gefangen im Kreis - damit setzt sich der Tänzer und Choreograph Orin Camus auseinander. Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Häftlingen des Pariser Gefängnis Prison dela Sante%E2%80%99 fließen dabei in seine Arbeit ein.
Im Zentrum der Bühne auf blauem Boden ein heller Lichtkreis, Orin wird neugierig, stürzt sich akrobatisch in den Zirkel, testet aus, wie es sich darin leben und aushalten lässt. Im Verlauf des Tanzstückes verändert sich der Kreis, wird zum Viereck mit einem Weg nach draußen, der versperrt bleibt, eine kleine Lücke zeigt sich in der Zirkellinie, was ihm kurz ermöglicht, sitzend in einem roten Lichtkegel eine neue Welt wahrzunehmen, aber das Innere des Kreises zieht ihn immer wieder zu sich. In Gedanken entfernt er die äußere Mauer, verspielt fallen feine Lichtstrahlen wie aus einem defekten Duschkopf bizarr auf seinen Körper, denen er sich völlig in sich gekehrt widmet, um sich noch ein bisschen Individualität zu bewahren. Die Inhaftierten eines Gefängnisses dürfen nicht mal so eben rausgehen und in gewisser Weise ist jeder "draußen" auch gefangen: in sich selbst, mit seinem Körper, seinen Gedanken, seinen Träumen, seinen Gefühlen und es ist schwer, fast unmöglich, auszubrechen, aber einen Versuch wert.
Angela Trautmann für radio-mensch