Mogwai - The Spirit Of Scotland im Werk 2 Leipzig

Der Begriff Mogwai stammt aus dem Chinesischen und bedeutet sinngemäß "dunkle Geister". Bevor diese jedoch ihren Auftritt im gut gefüllten Werk 2 in Leipzig haben, bietet der walisische Singer/Songwriter Gruff Rhys Auszüge aus seinem Repertoire und koppelt die von ihm vorgetragenen Songs mit einer Mischung aus seiner elektronischen Spielkiste. Dieser entnimmt er Overdubs, Samples und alle möglichen Gimmicks. Das Ergebnis ist ein etwas exzentrisches Konglomerat von Feelgood-Musik a la Mamas & Papas mit elektroakustischen Beigaben. Wales ist bekannt für seine guten Sänger, diese Aussage erhält durch Gruff Rhys ihre Bestätigung.Nach einer Umbaupause betreten die aus dem schottischen Glasgow stammenden Mogwai
die Bühne und beginnen ein Programm, das vom ersten Ton an die Zuhörer in seinen Bann zieht. "Hardcore Will Never Die, But You Will" heißt ihr neuestes Album und da auch die Tour nach diesem benannt ist, werden an diesem Abend viele Titel davon zu hören sein.

Die Band um den Gitarristen Stuart Braithwaite versteht es wie kaum eine andere, mit der Dynamik der Musik umzugehen. So werden wunderschöne Melodiebögen gespannt, die sich manchmal kontinuierlich in der Lautstärke steigern, manchmal von eruptiven Ausbrüchen abgelöst werden.

Exemplarisch dafür ist der Song "Fear Satan". Einige Titel werden in einer fast melancholischen Ruhe durchgespielt, bei anderen brettern die Gitarren, unterstützt durch einen mächtigen Bass, gewaltige Walls Of Sound. Sehr wichtig für die Live-Umsetzung ist die enorme Lautstärke, die jedoch an keiner Stelle zur Belastung wird, sondern sich als souveräne Dramaturgie erweist, die durch eine adäquate Lightshow unterstrichen wird. Auf einer breiten Leinwand wechseln sich Filmsequenzen mit abstrakten Lichtkompositionen ab.

Dazu kommt an vielen Stellen ein regelrechtes Lichtgewitter, das die Wirkung des Sounds fast psychedelisch untermalt. Der Musik von Mogwai ist anzuhören, dass sie in Schottland entstanden ist; sie atmet den Geist von Robert Burns und Robert Louis Stevenson, die Atmosphäre der Highlands und die Ambiente Glasgows mit seinen vielen Facetten. Das alles wird mit der Reife eines guten Single Malt musikalisch ins 21. Jahrhundert übertragen.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Motorpsycho & Storlokken im Conne Island Leipzig

Das Album "The Death Defying Unicorn" sorgt seit seinem Erscheinen Anfang 2012 für einen regen Meinungsaustausch unter Musikliebhabern. Es entstand aus der Zusammenarbeit der norwegischen Heavy Psych Band Motorpsycho mit dem Jazzkeyboarder Stale Storlokken, dem Trondheim Jazz Orchestra, den Trondheim Solistene und dem Geiger Ola Kvernberg, Weitestgehender Konsens herrscht darüber, dass der Versuch, sich der Musik über das Anhören einzelner Titel anzunähern, zum Scheitern verurteilt ist. Dieses Werk erschließt sich nur, wenn man sich der Mühe (vielleicht wäre Lust der bessere Ausdruck) unterzieht, die knapp eineinhalb Stunden Musik im Stück zu inhalieren und das möglichst mehrmals. Das Ganze ist ein
Konglomerat aus Prog a la King Crimson, Yes und Van Der Graaf Generator, Jazz, Psychedelic Rock und Klassik. Während ihrer Tour durch Europa sind im April 2012 auch mehrere Konzerte in Deutschland angesagt, Leipzig hat das Glück, dass die Norweger im Conne Island Station machen. Das Album wird live vorgestellt, die Besetzung reduziert sich auf Motorpsycho mit Kenneth Kapstad (Drums), Hans Magnus Ryan (Guitar, Vocals) und Bent S%C3%A6ther (Bass, Vocals) sowie Stale Storlokken an den Keyboards. Zugange ist also die Kernbesetzung des Werkes und die Frage lautet, lässt sich ein dermaßen komplexes Werk eigentlich in sozusagen filetierter Form adäquat wiedergeben? Es geht.

Vom ersten Ton entwickelt sich eine atemberaubende Performance. Ständig wechselt die Stimmung zwischen leisen Passagen und gigantischen Klängen. Dabei fällt auf, dass die vier Musiker viel Wert darauf legen, weniger ihre solistischen Fähigkeiten in den Vordergrund zu stellen als einen komplexen Sound zu kreieren. Motorpsycho hat den Ruf, ihre Konzerte mit einem gewissen Touch von Unberechenbarkeit zu gestalten und obwohl der Ablauf durch die Titelfolge des Albums festgezurrt ist, bleiben sie diesem Ruf treu. Das drückt sich durch den variablen Einsatz verschiedener Stilmittel aus, der immer für Überraschungen gut ist und die Spannung das gesamte Konzert aufrecht erhält.

Dezent begleiteter Satzgesang kann blitzartig durch monumentale Steigerungen abgelöst werden. Da glaubt mancher Zuhörer, eine Steigerung ist nicht mehr möglich und wird doch eines Besseren belehrt. Nach dem letzten Ton der des beeindruckenden Klanggemäldes, auf dem die Geschichte eines jungen Mannes auf einer Seefahrt mit Untergang des Schiffes und der gewalttätigen Fortsetzung der Handlung auf einer Insel dargestellt ist, wird die Band im rappelvollen Saal frenetisch gefeiert. "All Is Loneliness" wird als erste Zugabe erzwungen. Im Gegensatz zu manchen anderen Fassungen wird dieses Stück hier in einer schier unendlichen Länge mit gelöster Handbremse zum Besten gegeben. Es wird gerockt, was das Zeug hält und das Publikum kann richtig abtanzen. Die Musiker haben sichtlich ihren Spaß und lassen sich danach zu einer zweiten und letzten, etwas kürzeren Zugabe nicht lange bitten.

Die Setlist: Out of The Woods; The Hollow Lands; Through The Veil; Doldrums; Into The Gyre; Flotsam; Oh, Proteus - A Prayer; Sculls In Limbo; La Lethe; Oh, Proteus -<br />A Lament; Sharks; Mutiny!; Into The Mystic; All Is Loneliness; o.T.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Monster Magnet und Church Of Misery im Werk 2 Leipzig

Church of Misery ist keine Band für zartbesaitete Gemüter. Der größte Teil ihrer bisher veröffentlichten Songs erzählt die Geschichten von Serienkillern und Massenmördern. Damit steht die 1995 in Japan gegründete Formation, die als Support fungiert, in der Rockgeschichte ziemlich einzigartig da. Die Thematik ihrer Musik drückt sich auch in den von ihnen verwendeten Stilmitteln aus, deren hervorstechendstes ein ausgeprägter Doom-Sound ist. Das ist sehr brachial, aber sehr intelligent mit psychedelischen Elementen kombiniert. Church of Misery besteht aus Tatsu Mikami (Bass), Junji Narita (Drums), Ikuma Kawabe (Guitar) und Hideki Fukasawa (Vocals & Synthesizers) und stellt vor allem Werke ihrer aktuellen Produktion
"Thy Kingdom Scum" vor, die wie fast nicht anders zu erwarten, diese Themen weiterführt. Bemerkenswert sind besonders der sehr individuelle Stil des Bassisten Tatsu Mikami und das expressive Auftreten von Sänger Hideki Fukasawa, die wesentlich dazu beitragen, dass die Halle richtig vorgewärmt wird.

Monster Magnet ist stilistischh etwas anders geartet, Stoner Rock wird mit Doom, Space Rock, Kraut und Psychedelia zu einem stimmigen Ganzen verschmolzen. Seit 1989 gelten sie als eine der wichtigsten Bands des Stoner Rock. Mastermind ist Sänger und Gitarrist Dave Wyndorf, der auch den für größten Teil des Songwritings verantwortlich ist. Neben ihm stehen Garret Sweeny (Guitar), Phil Caivano (Guitar), Chris Kosnik (Bass) und Bob Pantella (Drums) im Rampenlicht und steigen sofort in ihr neuestes Album "Last Patrol" ein, das im Zentrum ihres offiziellen Konzertteils steht, ja sogar ohne Ausnahme in der selben Reihenfolge wiedergegeben wird. Von Anfang an ist Leben auf der Bühne, das lange Titelstück "Last Patrol" ist ein erster Höhepunkt. Auch ruhige Akzente werden gesetzt, das gleich darauf folgende Cover von Donovans "Three King Fishers" mag hierfür als Beispiel zählen.

Monster Magnet legen wenig Wert auf einen cleanen Gitarrensound, dieser wird a la Hawkwind elektronisch verwischt und verfremdet und erzeugt dadurch eine spacige Atmosphäre. Im Zugabenteil, von den Zuhörern in der gut gefüllten Halle begeistert gefordert, kommen auch ältere Songs zu ihrem Recht. Und hier legen die Musiker von Monster Magnet noch eine Schippe drauf. Space Lord (Motherfuckers) bildet trotz eines nicht optimalen Hallensounds einen furiosen Abschluss des Abends.

Die Setlist: I Live Behind the Clouds; Last Patrol; Three King Fishers; Paradise; Hallelujah; Mindless Ones; The Duke of Supernature; End of Time; Stay Tuned; Twin Earth, Look To Your Orb For The Warning; Dopes to Infinity; Space Lord

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Mikrokolektyw - Groovendes Duo im Polnischen Institut Leipzig

Es beginnt mit einem defekten Radio. Als die beiden Musiker von Mikrokolektyw, der Trompeter Artur Majewski und der Schlagzeuger Kuba Suchar, ihre Performance anläßlich des Jazz-Karnevals im Polnischen Institut eröffnen, sind nur elektronische Klänge zu hören, die wie das anfangs erwähnte Radio klingen. Das lässt befürchten, dass sich das Konzert in einer endlosen Frickelei an elektronischem Equipment erschöpft. Nachdem aber Artur Majewski zu seiner Trompete greift und ihr die ersten Töne entlockt, wird klar, hier geht doch mehr ab und die Befürchtungen lösen sich im Nu in Wohlgefallen auf. Unterlegt von den Grooves des Drummers Kuba Suchar, die durch Samplings
ergänzt und verstärkt werden, powert sich Artur Majewski fast über die gesamte Länge ihres Auftritts von einem furiosen Trompetenlauf zum nächsten. Verbunden mit dem brodelnden Perkussions-Background erinnert es zuweilen an Miles Davis der 1970er Jahre, beginnend mit dem Album "Bitches Brew". Es besteht die Versuchung, sich nach und nach in Trance zu tanzen. Dem schiebt aber die Bestuhlung im prall gefüllten Saal einen Riegel vor, schade eigentlich.

Im weiteren Verlauf des Konzerts flirten die Rhythmusmuster auch mit afrikanischen und lateinamerikanischen Farbtönen und erzeugen eine leicht meditative Stimmung. Die Trompete Artur Majewskis hat einen klaren, sauberen Sound, der Einfluß Tomasz Stankos ist nicht zu überhören. Während der Zeit des kalten Krieges war Polen eines der ersten Länder, die sich schon in den 1950er Jahren dem Jazz öffneten. Das geschah nicht ohne ideologischen und politischen Widerstand, übte aber auf die übrigen Länder des damaligen Ostblocks eine große Strahlkraft aus. Bei der alljährlich stattfindenen Warschauer Jazz Jamboree konnte man internationale Größen wie Gil Evans, Woody Herman, Sonny Rollins, Muddy Waters, Dexter Gordon und viele andere Live erleben. Auch mit vielen hervorragenden polnischen Jazzern wie Adam Makowicz, Michal Urbaniak, Urszula Dudziak und Zbigniew Namyslowski konnte man Bekanntschaft schließen. Nach den offiziellen Konzerten in "Stalins letzter Rache" (Kulturpalast) ging es zu den nächtelangen Sessions in den Studentenklubs wie "Stodola" und "Remont". Im Polnischen Informations- und Kulturzentrum in Leipzig war es möglich, sich in der Zwischenzeit mit diversen Jazzplatten aus Polen versorgen. Das heutige Duo steht in einer langen Reihe der polnischen Jazztradition und setzt diese würdig fort.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Of Mice & Men - Hart, schnell, kompromisslos im Werk 2 Leipzig

The Tasters aus Livorno/Italien beginnen ihren knapp halbstündigen Auftritt mit monumentalen Klängen. Beteiligt daran sind Keyboards und Vocals. Dann folgt der radikale Umbruch. Ihr Sänger Danielle Nelli steigt voller Energie in das Geschehen ein und wird dabei von seinen Bandkollegen vehement begleitet. Ihre Musik wird den Genres Metalcore/Post-Hardcore zugeordnet. Wuchtiger Heavy Metal geht hier eine Verbindung mit der Schnelligkeit des Punk ein, dazu kommt ein schreiender Gesang, an einigen Stellen versetzt mit melodischem Pathos. Nach vier intensiv vorgetragenen Titeln, bei denen auf der Bühne zu keiner Sekunde Stillstand herrscht, räumen The Tasters das Feld. Of Mice &; Men, war da
mal was? Richtig, John Steinbeck veröffentlichte 1937 einen Kurzroman mit diesem Titel, in der deutschen Übersetzung "Von Mäusen und Menschen" genannt. Was verbindet eine amerikanische Post-Hardcore Band aus Costa Mesa, Kalifornien, mit einem Buch des großen amerikanischen Autors, dessen bekanntestes Werk "Früchte des Zorns" aus der Zeit des New Deal stammt?

Sänger Austin Carlile bezieht sich sinngemäß auf den amerikanischen Traum, der wie in den 1930er Krisenjahren auch heute für sehr viele Menschen in den USA als Folge der wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen zu scheitern droht. Vielleicht zieht die Band auch daraus ihre unbändige Energie, die sich in wahnsinnig schnellen Gitarrenläufen, aggressiver Härte und viel Geschrei entlädt. Auf der Bühne findet ein ständiges Bäumchen-wechsel-dich-Spiel in atemberaubenden Tempo statt, ein Gitarrist dreht schon mal seine Runde um den Saal und Austin Carlile taucht gegen Ende der Performance minutenlang im Publikum unter.

Diese Musik ist definitiv nicht für Zuhörer gemacht, die Gefallen an fein differenziert vorgetragenen Stücken finden. Das vorwiegend junge Publikum lässt sich nicht lange bitten und setzt sich tanzend in Bewegung. Das hochenergetische Spiel von Of Mice &; Men ist nicht für lange Konzerte gedacht, nach 45 Minuten endet eine ungewöhnliche Hörerfahrung.
Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch
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