Blackmail - Walls Of Sound im Werk 2 Leipzig

Als Einheizer für ihren Auftritt in der kleineren Halle D vom Werk 2 haben sich BLACKMAIL aus Koblenz die italienische Band THE WAINES aus dem sizilianischen Palermo ausgesucht und damit eine gute Wahl getroffen. Die Sizilianer klingen wie eine nordamerikanische Garagenband aus den 1960er Jahren, versetzt mit Bluesrock-, Industrial- und Noise-Einsprengseln. Die Band mit der etwas ungewöhnlichen Besetzung mit zwei Gitarren und Drums lässt von Beginn an keine Zweifel daran aufkommen, dass es hier richtig zur Sache geht. Die meisten Titel sind von ihrem aktuellen Longplayer "STO", der im Mai dieses Jahres veröffentlicht wurde. Der Sound ist wuchtig und massiv,
einige Passagen erinnern an die frühen Electric Prunes, manchmal taucht auch der Sound der Detroiter MC 5 im Hinterkopf auf. Die beiden Gitarristen geben ihren Instrumenten die Kante, der Drummer kommt schlicht und einfach nur in den kurzen Pausen zwischen den Songs zur Ruhe. Die 1994 gegründeten BLACKMAIL gehören fast schon zu den Veteranen der alternativen deutschen Rockszene.

Seit 2008 treten die beiden Ebelhäuser-Brüder mit dem neuen Sänger Mathias Reetz auf. Im Gegensatz zu ihrem Support sind sie stilistisch eher in Großbritannien angesiedelt. Ihre Setlist bietet einen Überblick ihrer Produktionen der letzten 10 Jahre, besonders aus den Alben "tempotempo" und "Anima Now!". Schon der erste Titel zeigt, dass BLACKMAIL eine exzellente Live-Band ist. Auf der Bühne bekommen ihre Songs eine neue Dimension. Die Gitarren errichten mächtige Klangwände, postrock-artige Strukturen wechseln mit dem Gesang von Mathias Reetz. Im zweiten Teil des Konzerts nimmt die Intensität noch zu, die Dynamik und Differenziertheit der Musik wird prägender. Hier zeigt sich auch eine gewisse Verwandtschaft zur leider nicht mehr existierenden englischen Band OCEANSIZE, Bezüge zum Neoprog offenbaren sich.

Im Vergleich zu den Studioaufnahmen gewinnen die Live-Versionen der gelungenen Eigenkompositionen deutlich an Aussagekraft. Vielleicht steht ja ein Live-Album demnächst zur Produktion an?

Das zu Beginn eher zurückhaltende Publikum ist zum Ende zu immer begeisterter und entlässt BLACKMAIL erst nach drei Zugaben.

Die Setlist: Monographic Doll; Evon; The Mentalist; Away With The Fairies; Deborah; Telescope; The Whys O)f The Ways; It Could be Yours; It´s Always A Fuse To Live At Ful; (Feel It) Day By Day; Night School; Same Sane; Friend

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Burg Herzberg Festival 2012- Von Make Love Work zu Matsch More Love in Breitenbach, Hessen

Es ist eine recht ungewöhnliche Geräuschkulisse, die sich entlang einer breiten Schneise am Rand des für Fahrzeuge zugelassenen Geländes ausbreitet. Sie erinnert eher an eine belebte Großstadtkreuzung als an einen Campingplatz bei einem Rockfestival. Die Verursacher sind Traktoren, ohne deren Hilfe kein Fahrzeug an seinen Platz käme, ausgiebige Regenfälle haben das Areal am Hof Huhnstadt in eine Schlammwüste verwandelt. Freak City ist erstmals für Autos gesperrt, vor der Main Stage versinken die Besucher bis über die Knöchel in matschiger Pampe. Kurz gesagt, es herrscht eine Art Ausnahmezustand, der die Veranstalter vor große Probleme stellt, denn auch der Zugang für die
Künstler samt Equipment zur Bühne muss erkämpft werden. Trotz allem kann am Donnerstag die Freak City Band pünktlich ihr Konzert als traditioneller Opener des Festivals beginnen. Danach haben die Helfer zu tun, die Bühne mit Besen vom Regenwasser zu befreien, der Auftritt der attraktiven Sängerin Dana Fuchs aus Texas steht an. Die stimmgewaltige Bluesrockerin ist bekannt für ihre sehr bewegungsintensive Show, bei der es auch mal in die Horizontale gehen kann. Ihren starken Auftritt beendet sie mit dem eindrucksvollen Etta James-Cover "I´d Rather Go Blind", bei dem sie ihre stimmliche und körperliche Dynamik noch einmal voll präsentieren kann.

Bei langsam einsetzender Dunkelheit beginnen die vom Doom zum Neoprog konvertierten Anathema aus Liverpool ihren Set sehr melodiebetont und etwas gemächlich. Ab dem vierten Titel ist plötzlich Feuer in der Hütte und die Band steigert sich zu einem letztlich grandiosen Auftritt. Bei der Zugabe kann Sängerin Lee Douglas das volle Potential ihrer Stimme ausreizen. Ein Highlight!

Nach den vollen Klängen von Anathema haben Hidria Spacefolk aus Finnland mit ihrem spacigen Psychrock doch Probleme, die Spannung zu halten. Das Klangbild ist für manche etwas gewöhnungsbedürftig, besonders der Gitarrensound ist Geschmackssache.

Als einer der angekündigten Höhepunkte am Freitag stehen die Tubes aus San Francisco im Mittelpunkt des Interesses. Die Show, bei der besonders Sänger Fee Waybill mit diversen Masken und Kostümen (einschließlich monumentaler Plateausohlen) brilliert, ist professionell.

>Die Musik besteht aus einer merkwürdigen Melange verschiedener Stile und besticht nicht unbedingt durch umwerfende Originalität. Immerhin haben die Zuhörer die seltene Möglichkeit, Nina Hagens "TV-Glotzer" original als größten Hit der Tubes "White Punks On Dope" live zu erleben. Jethro Tull´s Ian Anderson hat sich von seiner Band getrennt und mit komplett neuer Besetzung "Thick As A Brick, Part II" aufgenommen. Sein Auftritt hinterlässt bei vielen Fans eine gewisse Ratlosigkeit. Angekündigt war die komplette Performance von "Thick As A Brick". Nach einer guten Viertelstunde ein kurzer Break und Ian Anderson kündigt Part II an, das übergangslos mit "My God" fortgesetzt wird. Gerade bei diesem genialen, religionskritischen Song ist von der ursprünglichen Dynamik nicht mehr viel übrig geblieben. Ist Ian Anderson altersmilde geworden? Jedenfalls scheiden sich bei diesem Konzert die Geister, zumal auch bei "Aqualung" und "Locomotive Breath" trotz aller technischer Perfektion der letzte Kick fehlt. Aber der Abend ist noch lange nicht zu Ende. Tito (Larriva)& Tarantula bringen wieder handfesten Rock´n´Roll mit Anklängen an mittelamerikanische Stilarten auf die Bretter.

Den Auftakt zum nächsten Tag machen lange nach Mitternacht Amplifier aus dem britischen Manchester. Der Sound erinnert etwas an die leider nicht mehr existierenden Oceansize. Die mit zwei Gitarren, Bass und Drums besetzte Band besticht durch eine stringente Umsetzung ihrer Mittel (zu denen auch ein Arsenal von Effektgeräten gehört) zu einer packenden Musik, die die Zuhörer bis zum Ende in ihren Bann zieht. Die meisten Songs haben Zeit, sich zu entwickeln, lyrische Passagen wechseln mit hammerharten Ausbrüchen, ohne dass Brüche entstehen. Die Hoffnung auf das langsame Austrocknen des Schlamms werden durch einen zweistündigen Regenguss am Samstagmorgen zerstört. Gehe zurück auf Los! Das Abendprogramm wird von einer der wichtigsten Bands der Canterbury Scene, Caravan, eröffnet. Sie bringen ihre fantasievolle und zeitlose Musik erstaunlich frisch an den Mann und werden dafür mit viel Beifall bedacht. Gründungsmitglied Pye Hastings und die anderen Musiker spielen vorrangig Titel aus den 1970er Jahren. Höhepunkte sind "In The Land Of Grey And Pink" und "Nine Feet Underground".

Dickey Betts stellt sein Projekt Great Southern in der identischen instrumentalen Besetzung wie die legendäre Allman Brothers Band, deren stilbildender Gitarrist er war, auf die Bühne. Und damit hat eine gute Entscheidung getroffen. Durch die zwei Drummer wird richtiger Druck aufgebaut und die drei Gitarristen weben ihren Soundteppich, darin unterstützt von Orgel und Bass. Die Songs sind so arrangiert, dass ihnen keine Patina anhaftet. Natürlich wird das Publikum mit Hits wie "Jessica" und "In Memory Of Elizabeth Reed" verwöhnt. Dickey Betts´ "Ramblin´ Man" beschließt einen überzeugenden Auftritt.

Wishbone Ash, geprägt durch seinen Zwei-Gitarren-Sound, bringen sich selbst in ein ein Dilemma, indem sie ihr Pulver mit "The King Will Come" und "Warrior" gleich zu Anfang verschießen. Was danach kommt, ist zwar technisch ausgereift und locker gespielt, lässt aber Höhepunkte und Steigerungen vermissen, schade drum.

Am abschließenden Sonntag muss endlich die Freak Stage zu ihrem Recht kommen. Die Sonne hat sich seit dem Vortag gehalten und Freak City ist besser begehbar. Panzerballett mit Saxophon bleibt ein Traum, wie schon bei ihrem Leipziger Konzert im Vorjahr müssen wir ohne Bläser auskommen. Was bleibt, ist ein sympathischer Auftritt, bei dem die Band ihre kauzigen Interpretationen von Heavy Metal und Jazz in bekannter Qualität zu Gehör bringen. Vielleicht klappts mit der Tröte ein andermal.

Danach folgt Eclipse Sol-Air, eine Neuentdeckung des Progrock aus Regensburg. Sie spielen zum größten Teil Stücke ihres Debütalbums "Bartok´s Crisis". Und wie sie das machen, ist aller Ehren wert. Sie reihen auf fantasiereiche, geradezu halsbrecherische Weise Elemente verschiedenster Stile aneinander, gleich einem Kaleidoskop entstehen immer wieder neue Klangbilder. Was bei vielen anderen Bands zum Scheitern verurteilt wäre, funktioniert hier auf wundersame Art und Weise. Das liegt zum einen daran, dass alle jungen Musiker ihre Instrumente professionell beherrschen, zum anderen steckt hinter allem eine ausgeklügelte Dramaturgie. Der Gefahr der Kopflastigkeit gehen Eclipsed Sol-Air mit ihrer herzerfrischenden Spielfreude aber geschickt aus dem Weg. Philippe Matic-Arnauld des Lions hat neben seinem expressiven Gesang noch eine kurzweilige Bühnenshow zu bieten, hier ist seine pantomimische Ausbildung die Basis. Da wird schon mal ein dickes Märchenbuch geschwenkt oder eine Zwangsjacke angezogen, aber nichts wirkt aufgesetzt oder gekünstelt. Mireille Vicogne ist mit ihrer ausdrucksstarken Stimme (sie spielt auch eine starke Querflöte) eine ausgezeichnete gesangliche Ergänzung. Ein Konzert, das kaum Wünsche offen lässt, die Entdeckung des diesjährigen Festivals.

Zurück zur Main Stage, hier ist das große Halali mit den Herzberg Blues Allstars, deren Kern die Hamburg Blues Band bildet, nebst diversen Gästen angesagt. Nach einer längeren Anlaufstrecke gibt sich Inga Rumpf die Ehre, zu der sich bald Brian Auger an der Orgel gesellt. Natürlich darf der "Indian Ropeman" nicht fehlen, vor langer Zeit von Inga Rumpf mit Frumpy, von Brian Auger mit Julie Driscoll und The Trinity eingespielt. Inga Rumpf hat von ihrer Stimmgewalt kaum etwas eingebüßt, Brian Augers Orgelspiel nichts von seiner Eindringlichkeit verloren. Danach covert der New Yorker Gitarrist Popa Chubby mehrere Jimi Hendrix Songs, darunter "Red House". Das passiert mit unheimlich viel Druck und sehr individuell. Es naht die Stunde des "God of Hellfire", Arthur Brown himself entert verhüllt die Stage. Nachdem sich die Hüllen nach und nach reduziert haben, kreiert er endlich sein unvergessliches "Fire". Es ist allerdings nicht zu überhören, dass seine Stimme doch recht limitiert ist, was aber hinsichtlich seiner Bühnenpräsenz gern toleriert wird.

Nach dem viel umjubelten Ende der Performance fällt der Vorhang, viele Unentwegte feiern noch auf der Freak Stage oder am Zelt Abschied von einem wieder einmal, trotz widriger Umstände, hervorragend organisiertem Hippie Festival. Dem Team der Veranstalter sei dafür herzlich gedankt.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

BACHmosphäre - Reflections in Jazz - Wanderungen durch die Zeiten beim Bachfest 2012 in Leipzig

Das jährlich in Leipzig stattfindende Bachfest hat das Anliegen, auch Einflüsse von Bachs Musik auf die Tonkunst unserer heutigen Zeit zu zeigen. Dazu wurde die Reihe BACHmosphäre ins Leben gerufen, zu deren Inhalt auch mehrere Konzerte unter dem Motto "Bach - Reflections in Jazz" gehören. Hierzu wurden bekannte Jazzmusiker eingeladen, die auf verschiedene Art und Weise ihren Umgang mit Bachs Erbe und dessen Einflüsse auf ihr Schaffen vorstellen. Moritzbastei am 14.06.2012: Protagonist des Abends ist der Pianist Joachim Kühn. Dem aus Leipzig stammenden Künstler ist es in den letzten Jahrzehnten gelungen, sich in der obersten Liga der internationalen Jazzszene zu
etablieren. Zusammen mit seinem Bruder, dem Klarinettisten Rolf Kühn, begann er anfangs der 1960er Jahre professionell als Jazzmusiker zu arbeiten. Nach einem Ausflug in die Fusionsmusik widmet er sich den verschiedensten Formen der Improvisation. Der klassisch ausgebildete Pianist geht seit einiger Zeit sozusagen "Back To The Roots" und setzt sich intensiv auch gezielt mit dem klassischen Erbe auseinander. So führte er 1998 gemeinsam mit dem Leipziger Thomanerchor das Projekt "Bach Now - Motetten und Improvisationen" in der Nikolaikirche und Thomaskirche Leipzig auf. Den heutigen Solo-Auftritt beginnt er mit einem langen Stück, das auf Themen von Bach basiert. Er beschränkt sich nicht darauf, daraus eine gefällige Adaption zu erstellen, sondern schlägt Brücken in die Gegenwart. Es läuft ab wie in einem Film. Nachdem Bilder von Merians Stichen von Stadtansichten am inneren Auge vorbeiziehen, befinden wir uns plötzlich in einer modernen Großstadt, verdeutlicht durch Joachim Kühns expressiven Musizierstil. Es folgen noch drei weitere ausgedehnte Improvisationen in ausgezeichneter Qualität, der Höhepunkt des Abends lag aber eindeutig zu Beginn des Konzerts.

Leipziger Baptistengemeinde am 15.06.2012: Die Sängerin und Schauspielerin Pascal von Wroblewsky und ihre Band stellen ihr eigens für dieses Konzert konzipierte Programm "Die soultemperierte Pascal" vor. Pascal von Wroblewsky zählte schon in der DDR zu den Flaggschiffen der dort ansässigen Jazzmusiker. Die ungemein vielseitige Sängerin arbeitet seit geraumer Zeit mit ihrer festen Band, bestehend aus dem Gitarristen Jürgen Heckel, dem Schlagzeuger Peter Michailow und dem Bassisten Max Hughes zusammen. Zu Gast ist der Pianist Reinmar Henschke. Sie hat Kantaten und Arien von Bach wie "Komm, süßer Tod" und das "Agnus Dei" aus der "h-moll-Messe" gemeinsam mit Jürgen Heckel in den Jazz-Kontext übersetzt, ohne den ursprünglichen Geist der Musik zu verwässern. Mit ihrer Stimme braucht sie sich nicht vor der internationalen Konkurrenz zu verstecken. Auch ihre musikalischen Begleiter genügen höchsten Ansprüchen, stilistisch finden sich einige Bezugspunkte zu Al Jarreau. Die bekennende Atheistin Pascal von Wroblewsky transportiert den zutiefst humanistischen Geist der bachschen Musik mit ihren Mitteln überzeugend in unsere Gegenwart.

Erneuter Ortswechsel... Kellertheater im Opernhaus Leipzig am 16.06.2012: Spätrenaissance und Barock waren die Hochzeiten der Kuriositätenkabinette, Alchemisten, Geistheiler und charismatischen Abenteurer. Michael Wollny und seine israelische Partnerin Tamar Halperin unternehmen mit uns eine musikalische Zeitreise in diese Epochen. Wie schon der Titel von Michael Wollnys CD "Wunderkammer" andeutet, besteht ihrerseits eine nicht geringe Affinität zu dieser geheimnisvollen Welt. Und es gelingt dem Duo, diese Welt auf eine sehr eigenständige Art und Weise musikalisch zu widerspiegeln. Sie bedienen sich dabei eines ungewöhnlichen Instrumentariums. Michael Wollny konzentriert sich hauptsächlich auf einen präparierten Flügel, Ausflüge an Harmonium und Celesta gehören aber auch zum Repertoire. Auch Tamar Halperin spielt diese beiden Klangerzeuger, ihr Hauptarbeitsgerät aber ist das Cembalo. Diese Mischung erzeugt einen einzigartigen Sound, der sehr emotionale, manchmal mystische Stimmungen hervorruft. Das feinnervige Zusammenspiel beider trägt entscheidend dazu bei. In einigen Momenten erfolgen kleine Ausflüge in die serielle Musik, die aber immer wieder durch gekonnt gesetzte Höhepunkte konterkariert werden. So gelingt es dem Duo, ohne zu offensichtliche Bezüge zur Barockmusik zu setzen, uns den enigmatischen Spirit einer längst vergangenen Zeit nahezubringen.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Balmorhea - Einladung zur Meditation in der naTo Leipzig

Balmorhea ist der Name einer kleinen Stadt in Texas, in deren Nähe ein gleichnamiger State Park liegt. Balmorhea ist auch der Name einer 2006 in Austin/Texas gegründeten Band. Nun kommen mit dieser Herkunft Assoziationen daher, die eher in Richtung Americana und Desert Rock tendieren. Doch weit gefehlt, Balmorhea in der Besetzung mit Rob Lowe (Guitar, Piano, Melodica), Michael Muller Guitar, Piano), Aisha Burns (Violin, Guitar, Keybords, Percussion), Dylan Rieck (Cello), Travis Chapman (Double bass, E-Bass) und Kendall Clark (Drums, Keyboards) haben sich, wie schon die aufgeführten Instrumente andeuten, einer von der klassischen Musik beeinflussten Stilrichtung verschrieben. Das bedeutet aber keinesfalls,
das sich das Repertoire von Balmorhea auf diesen stilistischen Bestandteil reduzieren lässt. "Days" ist das erste Stück ihrer aktuellen CD "Stranger" und eröffnet ihr Konzert in der sehr gut besuchten naTo, die sich idealer Ort für die sehr spirituell angehauchte Perfomance von Balmorhea erweist.

Die jungen Musiker verstehen es, auf einem kollektiv erzeugten Klangteppich auch solistisch ihre Glanzpunkte zu setzen. Klassische und elektrisch verstärkte Instrumente ergänzen sich dabei vorzüglich. Bei "Settler" wird deutlich, dass auch der Post Rock nicht ohne Einfluss auf das musikalische Konzept der Band ist. Dieser Eindruck wird bei "Fake Fealty" noch gesteigert. Balmorhea spielen gekonnt mit der Dynamik, sie schrecken auch vor Momenten enormer Lautstärke nicht zurück.

Und es geschieht Seltsames, manchmal wabert der Geist von John McLaughlins Mahavishnu Orchestra durch den Raum, lädt zum Meditieren ein. Die Musik von Balmothea ist überwiegend instrumental angelegt, aber auch die selten auftauchenden Gesangspassagen können überzeugen und fügen sich an den jeweiligen Stellen hervorragend in das Gesamtbild ein. Der Hunger des von der Musik gefesselten Publikum ist natürlich nach dem Ende des offiziellen Konzertteils nicht gestillt und fordert einen ordentlichen Nachschlag. Dieser wird auch mit drei Stücken gewährt, die eher in den ruhigen Gefilden angesiedelt sind. Ein a Cappela Gesang aller Musiker zu Pianobegleitung bei "November 1, 1832" beendet schließlich einen rundum gelungenen Auftritt.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

38. Leipziger Jazztage

"Sound of Heimat" lautet in diesem Jahr das Motto der nunmehr 38. Leipziger Jazztage. Nachdem in den letzten Jahren personengebundene Themenkreise die musikalische Auswahl zumindest zu einem großen Anteil prägten, könnte man das heutige Motto durchaus mit dem weltweit zunehmenden Strom von Flüchtlingen assoziieren. Ob nun kriegerische Auseinandersetzungen, der Entzug der wirtschaftlichen Existenz oder andere Gründe ausschlaggebend für das Verlassen ihrer Heimat sind, immer mehr Menschen werden unfreiwillig mit dem Verlust ihrer Heimat konfrontiert und versuchen, diesen durch die Pflege ihrer Kultur in einem gewissen Maß zu kompensieren. Dieser Hintergrund ist auch oft die Basis für die Zusammenarbeit von Musikern
verschiedener Kulturkreise.

Das Eröffnungskonzert findet, bedingt durch den Spielplan der Oper diesmal vor großem Haus statt.

Oper Leipzig: Hauschka & MDR Sinfonie-Orchester; Avishai Cohen with Strings
Unter dem Zepter des estnischen Dirigenten Kristjan Järvi hat sich das MDR Sinfonieorchester verstärkt der Pflege zeitgenössischer Klassik aus den baltischen Staaten verschrieben. Ein besonders intensives Verhältnis verbindet Järvi mit seinem Landsmann Arvo Pärt, dessen 4. Sinfonie "Los Angeles" den Auftakt zum ersten Abend der 38. Leipziger Jazztage bildet. Das hat schon etwas den Hauch des Außergewöhnlichen, zumal sich das musikalische Geschehen sehr langsam entwickelt. Man könnte dieses Ortchesterwerk fast schon als eine Hommage an die Entschleunigung verstehen. Daran schließen sich Stücke aus Hauschkas Album "Abandoned City" an, die dieser solo auf dem präparierten Flügel und mit Begleitung des Orchesters zu Gehör bringt. Nun ist ein präpariertes Klavier keine unbedingte Neuheit, aber in dieser Raffinesse doch keine Alltäglichkeit. Der Bassist Avishai Cohen hat sein Trio mit vier Streichern sowie einem Oboisten verstärkt und begeistert das Publikum mit einer Mischung von versiertem Jazz und wunderschönen Melodien. Seine Musik verarbeitet Einflüsse aus verschiedenen Musikkulturen. Diese reichen von u.a. Russland über Spanien bis hin zu mediterranen Ländern. Vor den Zuhörern wird quasi eine musikalische Landkarte ausgebreitet, auf denen Länder erscheinen, wo das jüdische Volk in seiner Geschichte bittere Erfahrungen mit dem Verlust seiner Heimat machen musste.


Oper Leipzig: Matthias Schriefel "Six, Alps & Jazz; Tord Gustavsen Quartet, Henri Texier Hope Quartet
Die Heimat von Matthias Schriefel und seinen Musikanten befindet sich in alpenländischen Gefilden. Aus der dort ansässigen Folklore haben sie unter Einbeziehung von Jazzelementen eine recht unterhaltsame Mixtur zusammengebraut, die zuweilen recht rustikal herüberkommt.
Der norwegische Pianist setzt mit seinem Quartett dazu einen Kontrapunkt mit einem sehr intensiven Programm, das durch eher leise Passagen geprägt ist. Die Musik lässt von Beginn an ihre Bezüge zur nordischen Tradition erkennen und zeichnet sich vor allem durch eine versierte Zusammenarbeit der Protagonisten aus. Der französische Bassist Henri Texier ist seit Jahrzehnten für seine Vielseitigkeit bekannt und besticht mit seinem Quartett durch eine sehr expressive Spielweise. Besonders interessant sind die Dialoge der beiden Saxophonisten François Corneloup und S%C3%A9bastien Texier, die durch einen dynamischen Rhytmusteppich angetrieben werden.

Oper Leipzig: Simin Tander 4tet; John Scofield "Überjam Deux" Auch in diesem Jahr steht die Bühne des Leipziger Opernhauses für eine Sängerin bereit. Mit der Verpflichtung Simin Tanders und ihrer mit niederländischen Musikern besetzten Band haben die Veranstalter einen guten Griff getan. Die Sängerin hat väterlicherseits afghanische Wurzeln, ist in Köln aufgewachsen und hat einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer künstlerischen Karriere in den Niederlanden verwirklicht. Ihr Repertoire ist vom Chanson beeinflusst, jazzig swingend und mit Anleihen aus ihrem afghanischen Erbe bereichert. Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass ein Teil ihrer Texte in Paschtun verfasst sind. Speziell aus den USA wurde der letzte Gast der 38. Leipziger Jazztage eingeflogen, einer der großen zeitgenössischen Jazz-Gitarristen, John Scofield. Der einstige Begleiter von Miles Davis hat sein aktuelles Projekt "Überjam Deux" im Gepäck. Auf dem Album von 2013 ist das in bewährter Studioqualität nachzuhören, allerdings kann einen aufmerksamen Hörer ein entscheidender Unterschied nicht verborgen bleiben: Im Gegensatz zum Studio sprühen John Scofield auf der Bühne vor Tatendrang, jegliche Sterilität ist wie weggeblasen. Beindruckend ist die stilistische Vielfalt, mit der John Scofield und seine Begleiter Avi Bortnick (Guitar), Andy Hess (Bass Guitar) und Tony Mason (Drums) überzeugen. Fast übergangslos springt die
Band z.B. vom funkigen Soul zu Fusionsklängen. So vergeht die Zeit ihres Auftritts fast wie im Fluge.


Philippuskirche: Nils Wogram Vertigo Trombone Quartet
Die Jazz-Posaune hat mittlerweile in Deutschland eine recht umfangreiche Tradition zu deren Vertretern beispielweise Albert Mangelsdorff und Conny Bauer zählen. In diesem Feld hat sich seit einigen Jahren Nils Wogram einen Namen erarbeitet und stellt an diesem neuen Spielort sein Projekt "Vertigo Trombone Quartet" vor, das ausschließlich aus Posaunisten besteht. Filmfreunde werden sich an einen Thriller namens "Vertigo" von Alfred Hitchcock erinnern, auch ein Plattenlabel um 1970 nannte sich so. Um das Geheimnis zu lüften, dieser Begriff bedeutet in deutscher
Sprache nichts anderes als ein Schwindelgefühl. Nun ist es nicht so, dass uns Nils Wogram bei ihrem Konzert schwindlig spielen, aber hörenswert ist es allemal.


Moritzbastei: Trilok Gurtu Band
Der indische Perkussionist Trilok Gurtu ist ein Wanderer durch musikalische Welten. Mancher mag noch seinen Auftritt 2011 auf dem Leipziger Markt mit Jan Garbarek in Erinnerung haben. Heute hat er seine eigene Besetzung mitgebracht, mit der er sich ganz der Fusionsmusik widmet. Das ist nicht unbedingt etwas neues, wird aber in der prall gefüllten Moritzbastei routiniert aufgeführt. Natürlich zeigt Trilok Gurtu auch sein Solo mit dem berühmten Wassereimer-Sound, so richtig zwingend ist das dem übrigen Geschehen nicht unbedingt zugeordnet.


Michaeliskirche: Rolf & Joachim Kühn
Zu einem Familientreffen der besonderen Art kommt es in der Michaeliskirche - zwei Brüder, die anfangs den Jazz in der DDR, später in der Bundesrepublik und auch international prägten - begegnen sich in ihrer Geburtsstadt Leipzig und machen gemeinsam eine Reise durch ihre künstlerische Entwicklung. Und so vielfältig ihre stilistischen Exkurse sowohl im Zusammenspiel als auch in ihren individuellen
Entwicklungen waren, so vielfältig ist auch der heutige Konzertabend. So wird ein Spannungsbogen zwischen Avantgarde und der Auseinandersetzung mit bachschen Traditionen geschaffen. Das geschieht auf höchstem Niveau und in einer bemerkenswert entspannten Atmosphäre.


UT Connewitz: Trio.Diktion; Christian Muthspiel 4 feat. Steve Swallow
Auch in diesem Jahr verleiht die Marion-Ermer-Stiftung ihren Leipziger Nachwuchspreis für Jazzmusiker. Die Auswahl der Jury fiel 2014 auf die Leipziger Formation Trio.Diktion. Diese hat sich auf sehr eigene Art und Weise der Traditionspflege verschrieben, ihr spezielles Augenmerk liegt dabei auf der Romantik. Das ist technisch sehr ausgefeilt und stellt der Ausbildung der Musiker an der HMT ein ausgezeichnetes Zeugnis aus, das Ergebnis ist allerdings eine merkwürdig rückwärtsgewandte Musik. Nun betont Pianist Philip Frischkorn in einem kurzen Statement, der Komposition in der Jazzmusik einen höheren Stellenwert verschaffen zu wollen, angesichts kompositorischer Größen wie Duke Ellington, Chick Corea u.v.a.m. klingt das schon etwas vermessen. Auch die Reaktion der Zuhörer ist geteilt. Multiinstrumentalist Christian Muthspiel steht hierzulande etwas im Schatten seines Bruders Wolfgang. Hier ist zu betonen, dass diese Wertung eine gewisse Ungerechtigkeit beinhaltet. Als Argument für diese These kann durchaus der Auftritt Christian Muthspiels und seiner Mitstreiter, zu denen der Trompeter Matthieu Michel, Vibrafonist Franck Tortiller und last not least Bassist Steve Swallow gehören, gelten. Auch diese vier Herren beschäftigen sich mit der Tradition, ihnen hat es der im elisabethanischen Zeitalter angesiedelte Komponist und Lautenspieler John Dowland angetan. Die Auseinandersetzung mit seinem Werk fand ihren Niederschlag im Album "Seven Teares - Tribute To John Dowland". Nun könnte man annehmen, dass Lieder, die sich mir der Artenvielfalt von Tränen beschäftigen, beim Publikum den Effekt erzielen, höchste Traurigkeit hervorzurufen. Glücklicherweise trifft hier genau das Gegenteil ein, das Konzert hat höchsten Unterhaltungswert. Das ganze gipfelt in einem kabarettreifen Sketch Muthspiels, in dem die Förderpolitik der EU durch den Kakao gezogen wird.


Schauspiel Leipzig: Ed Partyka & Spielvereinigung Sued; Mark Guiliana´s Beat Music
Schon in der Nachkriegszeit war Leipzig eine Talenteschmiede für Jazzmusiker, einen großen Anteil hatten auch Big Bands, Kurt Henkels sei hier genannt. Nun setzt die Spielvereinigung Sued diese Reihe fort und hat mit Ed Partyka aus Chicago einen Arrangeur und Komponisten gefunden, der den letzten Abend der 38. Leipziger Jazztage mit ihr einleitet. Nach einigen einleitenden Stücken gehen sie zum wichtigsten Teil ihres Programmes, Bearbeitungen von Liedern des großen Georg Kreisler, über. Matthias Knoche als Sänger steht dabei im Mittelpunkt und versteht es, den zumeist bekannten Songs eine eigene Nuance zu verleihen.

Es kostet einige Zeit und viel Aufmerksamkeit, sich in die Soundwelten von Mark Guiliana´s Beat Music hineinzufinden. Es beginnt mit verhältnismäßig einfachen Strukturen, aber auf einer stetig ansteigenden Spannungskurve entwickelt sich ein faszinierendes Musikevent, zu dem Drummer Mark Guiliana, Bassist Chris Morissey und Keyboarder Jason Lindner gleichermaßen beitragen. Die Dichte des musikalischen Ausdruckes erinnert im Finale an Noise und Industrial. Dieser Auftritt liefert den Beweis, dass es nicht immer der großen Namen bedarf, um einen insgesamt gelungenen Festival einen würdigen Abschluss zu verleihen.
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