Fjodor im HinZundkunZ Leipzig

Auftritte von Rockbands aus Kroatien haben in unseren Breiten ungefähr die gleiche Häufigkeit wie das legendäre Einhorn. Umso gespannter ist die Erwartung, was uns Fjodor aus dem kroatischen Zagreb zu bieten hat. Als Support machen sich erst mal Swedenborg Raum aus Halle/Saale ans Werk. Die jungen Musiker beziehen sich auf den schwedischen Naturforscher und Mystiker Emanuel Swedenborg, der sich in der Mitte des 18. Jahrhunderts in seinen Schriften mit der Beziehung zwischen Wissenschaft und Religion befasste. Die Musik des Trios ist eine interessante Mischung aus Psydelia und Progrock. Trotz sehr guter Momente fehlt ihrem Auftritt etwas der rote Faden, man
spürt die Suche der Band nach eigener Identität.

Die 2005 gegründeten Fjodor begannen als Trio, im Laufe der Jahre ergaben sich mehrere Wechsel in der Besetzung, jetzt sind sie mit Ivan Beuc (Guitar), Aljosa Reljic (Drums) und Mirko Golubic (Bass) auf Tour. Ihre Mixtur aus Experimental Rock, Prog Rock, Noiz und Psychedelic Rock hat jemand mal unter der durchaus treffenden Bezeichnung Balkan Kraut auf den Punkt gebracht. Von Beginn an spinnen sie mit rhythmisch betonten Kollektivimprovisationen ein spannendes, pulsierendes Soundgeflecht.

Darauf setzt Ivan Beuc mit seiner Gitarre noch verfremdete Akzente. Bei den überdurchschnittlich langen Titeln lässt die Spannung nicht nach, ja darüber hinaus verstehen es die Musiker von Fjodor, ab und an noch Steigerungen in punkto Lautstärke und Tempo draufzusetzen. Hier ist noch anzumerken, dass die Räumlichkeit vom HinZundkunZ der Atmosphäre entgegenkommt, es ist kaum vorstellbar, diese Intensität auf einer großen Festivalbühne zu erzeugen. Dieser dreckige, krautige Sound gehört einfach zu dieser Art von Musik. Das Publikum ist begeistert und lässt seinem Bewegungsdrang freien Lauf.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Florian Fleischer Quintett im Liveclub Telegraph Leipzig

Piano und Schlagzeug führen uns ein in den Eröffnungstitel "Die Stadt", der am Anfang der Suite "Berlin" steht. Diese steht im Mittelpunkt des ersten Sets vom Florian Fleischer Quintett bei ihrem Releasekonzert zum Album "Verzücken" im Leipziger Liveclub Telegraph. Diese Suite hat es in sich. Getragen von einer fast meditativen Grundstimmung versetzt uns Florian Fleischer mit seinen Musikern in die urbane Welt unserer Metropole. Innerhalb der aus fünf Titeln bestehenden Komposition entwickeln sich zwischen den Mitgliedern des Quintetts immer neue Konstellationen, die Kommunikation reicht von Dialogen bis Entfaltung eines Gruppensounds.<

Auch improvisatorische Aspekte kommen nicht zu kurz. Der Gitarrist Florian Fleischer
arbeitet seit 2010 mit Etienne Nillesen - Drums, Oliver Lutz - Double Bass, Jens Boeckamp - Tenor- und Soprane Saxophone, Bassklarinette und Philipp Ruettgers - Piano zusammen. Die Kompositionen stammen von Florian Fleischer und Jens Boeckamp und bilden das Gerüst ihres Werks. Es werden Stimmungen aufgebaut und vertieft, neue Impressionen werden kreiert, das alles vollzieht sich aber im Rahmen einer gewissen Kontinuität. "Mutschekiepchen" leitet den zweiten Set ein.

In diesem Set werden uns weitere Titel von der CD sowie neue Kompositionen vorgestellt. Während Florian Fleischer im ersten Set mit seiner Gitarre verhältnismäßig zurückhaltend agierte, setzt er im zweiten Teil mehr Akzente, der sophisticate Gruppensound verlagert sich zu mehr solistischen Beiträgen der Musiker.

Die leider nicht sehr zahlreich erschienenen Zuhörer erreichen durch ihren heftigen Applaus, dass die sich Akteure noch zu zwei Zugaben auf die Bühne begeben. Bei "Jaloezie Nr.1" und "Spacegate" bezaubert Florian Fleischer mit spacigen Klangexperimenten an der Gitarre, das musikalische Spektrum dieser vielversprechenden Formation erhält dadurch noch eine zusätzliche Dimension.

Die Setlist: Berlin (a. Die Stadt; b. Verzücken; c. Erkennen; d. Begreifen; e. Klarheit); Mutschekiepchen; Die große Leere; The Way Of The Future; Appletree; Jaloezie Nr.1; Spacegate

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

The Flying Eyes im HinZundkunZ Leipzig

Und wieder hat der Psychedelic Rock im HinZundkunZ Einzug gehalten. Und das auf eine doch erstaunliche Art und Weise. The Flying Eyes aus Baltimore an der amerikanischen Ostküste veröffentlichten 2008 ihre erste EP und sind seit 2010 auf dem europäischen Kontinent regelmäßig auftauchende Tourgäste. 2010 sprangen sie auf dem Burg Herzberg Festival kurzfristig für die krankheitshalber absagenden Hellsongs ein und sind seitdem auch einem breiteren Publikum bekannt. Eines ihrer Markenzeichen ist die an Jim Morrison von den Doors gemahnende Stimme von Will Kelly. Im gleichen Jahr waren sie auch im Leipziger Absturz zu erleben, nun im noch kleineren HinZundkunZ. Und
genau das ist die Umgebung, in der ihre Intensität besonders gut zum Tragen kommt, ohne dass ihr letztjähriger Auftritt in der Crossroads-Reihe vom WDR-Rockpalast damit schlechter wäre. The Flying Eyes bestehen seit ihrer Gründung aus Will Kelly (Guitar/Vocals), Adam Bufano (Guitar), Mac Hewitt (Bass/Vocals) und Elias Schutzman (Drums/Harmonica). Mittlerweile haben sie ihren zweiten Longplayer "Done So Wrong" veröffentlicht, der auch einen großen Teils ihres Auftritts bestimmt.

Bedingt durch Will Kelly´s Stimme mag vielleicht die Versuchung bestanden haben, eine der unzähligen Doors-Coverbands zu werden, aber diese Klippe haben sie erfolgreich umschifft, was ihren Sympathiewert bei vielen Fans noch steigerte. The Flying Eyes verbinden Bluesrock, Westcoast-Psychedelia und in zunehmenden Maße Doomelemente zu einem packenden, hochexplosiven Gemisch. Elias Schutzman entfacht an den Drums einen Wirbel wie der selige Keith Moon von The Who und sorgt gemeinsam mit Mac Hewitts Bass für den Humus, auf denen die Gitarren von Will Kelly und Adam Bufano sich entfalten können. Überhaupt ist Adam Bufano ein Gitarrist der Extraklasse, er bringt sein Brett zum Brüllen, entlockt ihm<br />splitternde und wabernde Geräusche und greift beim Einstieg zu "Done So Wrong" auch mal zu Säge und Geigenbogen, sphärische Klänge erzeugend.

In seiner Gitarrenarbeit wird er von Will Kelly hervorragend unterstützt. "Leave It All Behind" wird von Elias Schutzmans Harmonica eröffnet bevor er an den Drums wieder für den richtigen Bums sorgt.

Zu den großen Highlights in einem an Höhepunkten reichlich gesegneten Konzert gehören "Winter" und "Death Don´´t Make Me Cry" sowie das mittlerweile zur Standardzugabe gereifte "Don´´t Point Your God At Me", bei dem die die Band noch einmal alles aus sich herausholt. The Flying Eyes sind in letzter Zeit in ihrer Ausdrucksvielfalt merklich gereift, ihr Spiel ist wuchtiger und härter geworden. Den Opener für diesen Abend bildeten Captain Katze Plays With Fire mit einem abwechslungsreichenn Programm zwischen World Music, Reggae, Jazz und Rock, das beim Publikum freundliche Aufnahme fand.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Evi Vine - Weitab der Trends bei Horns Erben in Leipzig

Evi Vine aus London ist nicht zum ersten Mal in Leipzig zu Gast. Zu ihrem Konzert in Horns Erben hat sie als Support die Hamburger Band Noonday Dreams mitgebracht. Diese erfreuen die Zuschauer mit einem recht abwechslungsreichen Mix von Sixties Pop, Brit Pop, Americana und einem Hauch Psychedelia. Das geht nicht unbedingt an die seelische Substanz, ist aber solide und sympathisch gemacht. Ende Februar 2013 wurde in der Sendung "Tracks" bei Arte eine kurze, aber sehr sehenswerte Dokumentation über Evi Vine gesendet. Ein kurzer Abriss beleuchtete ihre bisherige musikalische Karriere und ihren Kampf als Künstlerin, die nicht in die gängige
Mainstream-Musikvermarktung eingebunden ist. Seit ihrem Auftritt in der Theaterfabrik Sachsen vor rund 1,5 Jahren hat sie intensiv an ihrem Profil und ihrem ersten Album gearbeitet. Das alles geschah ohne Management und Plattenlabel, aber mit der Hilfe ihrer Freunde. Diese Arbeit hat sich gelohnt, wie der heutige Auftritt zeigt. Mit "For The Dreamers" hat sie einen idealen Einstieg gewählt.

Mit Unterstützung ihrer Musiker, vier Multiinstrumentalisten, die sich an Gitarren, Bass, Keyboards, Drums und Cello abwechseln, lässt sie uns ein einen Raum eintreten, der mit einem schwebenden Sound gefüllt ist. Sie gibt sich und den Zuhörern die Zeit, diesen Raum, in Ruhe zu erkunden, dann verdichtet sich die Musik und Evi Vine bringt ihre Stimme zum Einsatz. Mit der Intimität und Emotionalität dieser Stimme offenbart sie uns an diesem Abend einen Teil ihres Innenlebens in einer Form, wie man sie in unserer heutigen Zeit nicht aller Tage findet. Auch der weitere Verlauf ihres Konzerts verläuft weitab aller Klischees von Pop, Rock und Singer-/Songwriting. Unüberhörbar sind Einflüsse aus der modernen Kammermusik.

Neben Stücken ihres Albums "... and so the morning comes" interpretiert Evi Vine auch Werke aus ihrer aktuellen Songwerkstatt. Fast überflüssig ist es zu erwähnen, dass ihre, sie sensibel begleitende Band einen großen Anteil an diesem gelungenem Konzert vor einem vollem Veranstaltungsraum hat.

Es erübrigt sich, nach Vorbildern für diese solitäre Kunst zu suchen. Vielleicht kann man die schon vor ca. 30 Jahren verstorbenen Sängerinnen Nico und Sandy Denny als Seelenverwandte ausmachen. Selbstverständlich gibt sich die Zuhörerschaft nicht mit dem offiziellen Teil zufrieden und wird für seinen begeisterten Applaus noch mit vier zusätzlichen Titeln belohnt.

Die Setlist: For The Dreamers; Inside Her; Hands Are Tied; If It´´s Love; I Let You Leave; For You; Starlight; New Song; I´m Not Here; View From A Rooftop; Colours Of The Night; This Is How I´´m Feeling

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Euzen - Musik mit Zukunft im UT Connewitz in Leipzig

Euzen haben sich mit einigen Auftritten beim Tanz- und Folkfestival in Rudolstadt auf sich aufmerksam gemacht. Nun konnte man sie auch im Leipziger UT Connewitz zur Vorstellung ihrer neuen CD "Sequel" live erleben. Bevor es soweit ist, gab die Band Omdulö aus dem thüringischen Altenburg ihre Visitenkarte ab. Die fünf Bandmitglieder kombinieren Mittelalterliches, Folk und Keltisches mit einer Prise Weltmusik. Entsprechend reichhaltig ist die Instrumentierung, dazu gehören Flöten, Maultrommel, Irish Bouzouki, Drehleier, Nyckelharpa, Akustikgitarre, Bodhran, verschiedene Perkussionsinstrumente und sogar ein Didgeridoo. Omdulö bringen ihre Musik, die aus Traditionals und Eigenkompositionen besteht, gekonnt an. Besonders der Satzgesang besticht durch Präzision und
schöne Stimmen. Experimentelle Elemente werden eher sparsam eingesetzt. Der Aufbau des Programms erscheint manchmal etwas beliebig. Die Hinweise auf besonders lustige Stellen hat die Band gar nicht nötig, ich glaube, das kann sie den tümmelnden Kollegen überlassen.

Euzen, in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen beheimatet, besteht aus der norwegischen Sängerin Maria Franz und den dänischen Kollegen Christopher Juul (Keyboards/Gesang), dessen Vater Harald Juul (E-Gitarre), Jon Pold (Bass/Gesang) und Kristian Uhre (Schlagzeug). Christopher Juul, der auch musikalischer Kopf von Euzen ist, muss gleich zu Beginn des Konzerts die Hiobsbotschaft überbringen, dass Maria Franz Probleme mit ihrer Stimme hat. Der Opener "Velje" beginnt mit Loops von Maria Franz´ Stimme, die im weiteren Fortgang auf subtile und raffinierte Art mit ihrem Livegesang verknüpft werden. Anders als auf ihrer Studioproduktion wird beim Konzert auf zusätzliche Instrumente verzichtet. Das tut der Qualität aber beileibe keinen Abbruch, Christopher Juul hat ein riesiges Arsenal an elektronischen Effekten zur Verfügung. Mit den Klängen einer Spieldose (fast schon ein Markenzeichen von Euzen) beginnt "Glitch". Trotz ihrer stimmlichen Misere überzeugt Maria Franz mit ihrer gesanglichen Performance, die durch tänzerische Akzente ergänzt werden.

Die gespielten Stücke bewegen sich in ihrer Länge im herkömmlichen Format, Longplayer sucht man vergebens. Der Kern der Musik ist im Neoprog angesiedelt, es wird aber darauf verzichtet, nur Versatzstücke aneinanderzufügen. Die ideenreiche Arrangements von Christopher Juul und die ausdrucksstarke Stimme ergänzen sich vorzüglich. Das Ergebnis ist ein Sound, der auf einer eigenen Identität beruht.

Nach ungefähr der Hälfte der Zeit muss Maria Franz dann passen, trotz Pillen geht mit ihrer Stimme nichts mehr. Dafür kommt die Ankündigung, nun etwas zu chillen. Hier zeigt sich auf markante Weise, dass Euzen im Progrock-Bereich angesiedelt ist. Jetzt wird ohne größere Schnörkel losgebrettert. Dann kommt wieder die Spieldose und eine Tänzerin mit Glaskugel nimmt teil an der Performance. Das Szenario erinnert an den Film von Federico Fellini "Casanova", in dem der alternde Casanova von der mechanischen Puppe Rosalba verzaubert wird. Nach diesem Intermezzo geht der Abend mit mehreren Instrumentaltiteln zu Ende. Man kann sicher sein, in Zukunft von Euzen noch viel zu hören und vielleicht die eine oder andere Überraschung zu erleben.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch
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