Der Empfang - Avantgarde-Schlager im Neues Schauspiel Leipzig

Das Neue Schauspiel Leipzig hat zur CD Release-Party geladen. Musiker aus Leipzig und Berlin haben sich unter dem Bandnamen Der Empfang zusammengeschlossen und ihr gleichnamiges Erstlingswerk produziert. Dieses soll nun Live zu Gehör gebracht werden. Doch vorher betritt als Support der aus Odessa stammende Sänger und Gitarrist Maxim Levinstein mit seinem Partner Frithjof Rödel die Bühne. Sie eröffnen ihren Set mit einem Tango, der seinen Ursprung an der Schwarzmeerküste hat. Anschließend folgt ein Lied, das an Tom Waits´ "Frank´s Wild Years" - Trilogy erinnert, in der er verschiedene Titel mit osteuropäischen Nuancen versah. Dann eröffnet ein Song über Träume einen
Block, bei dessen Liedern der Einfluss amerikanischen Folk- und Westcoast Rocks unüberhörbar ist. Frithjof spielt eine exzellente E-Gitarre, die dem Gesang und dem Spiel Maxims auf der akustischen Gitarre eine zusätzliche Dimension verleiht. Maxim singt alles in seiner Muttersprache odessisch (russisch). Den Schlusspunkt eines sehr gelungenen Auftritts bildet eine freie Improvisation gemeinsam mit dem Drummer Beat Freisen. Um 1960 war die große Zeit der Gitarrencombos. Sehr populär waren u.a. die Shadows, die Ventures und die Spotnicks. In den Tanzsälen (mit Glitzerkugel und UV-Licht) wurden diese Gruppen damals sehr gern kopiert, den reproduzierenden Musikern standen als Vorlage meist nur mehr oder weniger gute Tonbandmitschnitte zur Verfügung. Dieses und das oft über das amateurhafte nicht hinausgehende Können der Combos trugen manchmal zu einer unfreiwilligen Komik der Veranstaltungen bei. In diese Zeit werden wir mit dem Programm von Der Empfang zurückversetzt.

Die Band nennt ihre Musik Avantgarde-Schlager und braucht keinen Gesang, um die Liedtitel mit Leben zu erfüllen. Das alles hat einen Anstrich von heiler Welt, der aber durch gekonnte Persiflierungen und Übertreibungen schnell Kratzer bekommt. Die Besetzung der Band besteht aus zwei Gitarren - Timo Klöckner und Jörg Wolschina - , Keyboards - Arpen - , Bass - Jakob Müller - und Drums - Beat Freisen. Das Programm beginnt mit dem scheinbar harmlosen Werk "Picknick am Wegesrand". Die Ansage beraubt uns aber aller Illusionen - beschrieben wird der Spaziergang eines Paares am Leipziger Auensee mit dem anschließenden Fund einer Wasserleiche. Hierzu kann jeder zur Musik seine eigenen Assoziationen herstellen, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

So ist es auch bei den im Programm folgenden Titeln: Im "Elefantenlied" wird ein trunkener Elefant mit Tom Waits verkuppelt, auch bei "Russendisko I und II" spielen Alkohol und andere Drogen eine Rolle. "Alexandra" spielt auf die Vorliebe von Timo Klöckners Vater für die Schlagerikone gleichen Namens an. Im Zugabeteil folgt noch eine Hommage an Edgar-Wallace-Krimis bevor mit "Sway" die Titanic sinkt und danach eine gut unterhaltene Zuhörerschaft zur Party entlassen wird. Die Band ist sich ihrer Stilmittel sicher, bei genauem Hinhören lassen sich hinter der Fassade Avantgarde-Schlager Ansätze einer potentiellen Jam Band erahnen.

Die Setlist: Picknick am Wegesrand; Elefantenlied; Monster; Alexandra; Russendisko; Finn; Schlager; Russendisko II; Drei Fragezeichen; Sway

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Mars Red Sky - Stoner Rock From France im Absturz Leipzig

Für die Anhänger von psychedelisch angehauchter Rockmusik hat sich der auf dem dem Feinkostgelände gelegene Absturz zu einer festen Adresse gemausert. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen treten hier Bands auf (The Flying Eyes, Siena Root), die in diesem Genre auch international schon einen guten Ruf haben oder zumindest das Potential dafür haben. Bevor die Franzosen von Mars Red Sky an der Reihe sind, bestreiten zwei Leipziger Formationen ihr Heimspiel. Den Beginn machen die Footsteps. Die drei Musiker widmen sich dem Bluesrock. Ihre Einflüsse liegen dabei mehr in der britischen Machart, Bezüge zu The Cream und Ten Years After sind
deutlich spürbar. Sie liefern einen Set auf hohem handwerklichen Niveau, bei dem auch eigene Kompositionen nicht zu kurz kommen. Den Schluss bilden zwei Covers von Jimi Hendrix. An "Foxy Lady" schließt sich "Hoodoo Child", gekoppelt mit Freddie Kings Klassiker "Goin Down" an. Spätestens hier drängt sich der Vergleich mit The Brew aus England auf und offenbart das einzige "Manko" ihrer Musik: Sie klingt etwas zu brav. "Nun zu etwas völlig anderem" heißt es bei den Monty Pythons und das ist bei der Fortsetzung des Abends mit Black Salvation wörtlich zu verstehen.

Den Auftakt bilden zwei Titel, die manche Zuhörer doch recht ratlos zurücklassen. Hier werden Stilelemente miteinander kombiniert, die in dieser Form einfach nicht zusammenpassen. Ab Titel drei aber wird es richtig gut, Black Salvation kreuzen ihren Doom mit Psychedelia, es klingt richtig hypnotisch. Und so geht es weiter, ihre Musik wirkt nicht mehr zerfasert, sondern in sich schlüssig. Französische Rockmusik ist in unseren Breiten zu Unrecht unterrepräsentiert und wird von vielen Interessierten kaum wahrgenommen. Ausnahmen bilden vielleicht das Zeuhl-Flaggschiff Magma und die Band des Australiers Daevid Allen, Gong. In deren Fahrwasser gibt es eine beachtliche Szene, zu denen Rhun und die fantastischen Lazuli - welcher Club holt diese endlich mal nach Leipzig? - gehören.

Und nun Blood Red Sky aus Bordeaux. Julien Pras (Guitar/Vocals), Jimmy Kinast (Bass) und Benoit Busser (Drums) haben im letzten Jahr ihr Debüt veröffentlicht und dafür sehr wohlwollende Kritiken entgegengenommen. Kann dieses Versprechen live eingelöst werden? Bass und Drums bilden einen groovenden, dicht gewebten, Teppich, auf dem Gitarrist Julien Pras mit Hilfe etlicher Effektgeräte seinem Affen Zucker gibt. Da werden massive Walls Of Sound errichtet und damit keine Langeweile aufkommt, diese wieder durch Rhythmuswechsel durchbrochen. Die relativ hohe und weiche Stimme von Julien Pras trägt zum geschlossenen Eindruck bei, den die Musik von Mars Red Sky erzeugt. Alles wirkt organisch gewachsen und nimmt den Zuhörer gefangen.

Der Name Mars Red Sky suggeriert natürlich eine gewisse Nähe zum Spacerock, und auch hier werden wir nicht enttäuscht, Bezüge zu Hawkwind tauchen auf. Das Ende eines bemerkenswerten Konzerts bilden diverse, elektronisch erzeugte "Weltraumklänge", die nach und nach zirpend verklingen.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

The Magnificent Brotherhood - Rock aus der Garage von HinZundkunZ Leipzig

HinZundkunZ ist eine Begegnungsstätte in einem ehemaligen Uhrmacherladen im Leipziger Westen. Hier finden auch Konzerte statt. Der dazu zur Verfügung stehende Raum erinnert in seiner Größe an Clubs in England, in denen sich in den 1960er Jahren die Beat- bzw. Rockmusik austobte. Passend dazu packen am heutigen Abend The Magnificent Brotherhood aus Berlin ihre Instrumente aus. The Magnificent Brotherhood, das sind Kiryk Drewinski (Guitar/Vocals), Erik Haegert (Organ/Vocals), Lars Puder (Drums) und Screamin´´ Bo Pille (Bass/Vocals), ausgeliehen von den Fuzztones. Sie haben sich in der Retrorock-Szene in den letzten Jahren einen guten Ruf erworben, was auch ein Auftritt 2008 auf dem
Burg Herzberg Festival im hessischen Breitenbach belegt. The Magnificent Brotherhood laufen unter dem Label New Garage/Psych Band. Sie haben sich speziell dem amerikanischen psychedelischen Garagenrock der 1960er Jahre verschrieben, in dem fuzzige Gitarren und die mit einem speziellen Klang ausgestattete Farfisa-Orgel eine wichtige Rolle spielten. Diese Garagenbands waren manchmal recht kurzlebige Projekte, die aber trotzdem einen erheblichen Einfluss auf den heutigen Rock haben. Aus der langen Liste dieser Bands seien hier nur Arthur Lee & Love sowie The Mysterians genannt.

Retrorock stößt bei manchen Fans auf Vorbehalte. Sollte sich im Publikum des heutigen Konzerts jemand mit dieser Aversion befunden haben, dürfte diese nach wenigen Augenblicken verflogen sein. Raum und Band gehen sofort eine perfekte Symbiose ein, es ist Party angesagt. Da die ersten Tracks auch eine gehörige Mitgabe von R&B-Elementen haben, setzt sich so manches Tanzbein schnell in Bewegung. Zwischen den Stücken hält sich die Band nicht lange mit der Vorrede auf und so geht es Schlag auf Schlag.

Die Musik von The Magnificent Brotherhood bildet ein dichtes Gewebe. Die Höhepunkte des Auftritts liegen in den Momenten, in denen die Klänge der Farfisa-Orgel ihren ganz eigenen Charme verbreiten. So vergeht die Zeit wie im Fluge, Retrorock at his Best hat wieder einmal seine berechtigte Existenz in unserer Musiklandschaft bewiesen.

Die Setlist: Old Tattoo; gun Or Run; Mr. Time; Upside Down; Dope Idiots; Mind Machine; Divine Advice; Camera; Save Me, Save You; Invisible People; Cracker; Psychosis; No Mercy; My Flash On You; All Because Of You; Too Much; Two In One

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Next Stop Horizon - Nostalgisches Bilderbuch in Horns Erben Leipzig

Das schwedische Multiinstrumentalisten-Duo Jenny Roos und Pär Hagström hat seine Debüt-CD "We Know Exactly Where We Are Going" mit einer Corona von Gastmusikern produziert. Bei ihrem Gastspiel in Horn´s Erben haben sie sich mit einem weiteren Multiplayer verstärkt. Das Duo spielt eine bunte Vielzahl an teilweise exotischen Instrumenten, verschiedene Keyboards, Gitarre, Perkussion. Sie haben ein altmodisches Bilderbuch mitgebracht und umblättern Seite für Seite vor dem staunenden Publikum. Das erste Bild nennt sich "Iron Train" und wird mit einem zarten Glockenspiel eingeleitet, Schlagzeug, E-Gitarre und andere Instrumente sowie die fast somnambule Stimme von Jenny Roos begleiten uns auf einer Zugfahrt durch
eine mystische Landschaft. "She´s A Ghost" öffnet den Vorhang für eine Vaudeville-Show mit Tom Waits als Gastsolisten. Spätestens hier merkt man, welchen Swing diese Musik hat. So vielfältig die gespielten Lieder sind, dieses Swingen kittet sie zusammen.

Verantwortlich dafür ist auch der Gastmusiker, der mit Bariton- und Tenorsaxophon, Klarinette und Bassklarinette als auch mit der Violine kräftigen Anteil daran hat. Die Farben der Bilder sind zumeist in Pastell gehalten. Folk, Klezmer, Blues, Gospel, Balkanklänge und Jazz prägen ihre Zusammensetzung. Sogar Titel, bei denen richtig rumgepoltert wird, haben einen nostalgischen, wehmütigen Unterton. Nichts aber klingt angestaubt.

So machen wir die Bekanntschaft mit einem alten Jahrmarkt - ein Tanzbär ist zu sehen, Seiltänzer, Jongleure, eine Tanzkapelle und allerlei buntes Volk. Nach einem Ausflug in die Everglades von Lousiana sitzen wir plötzlich in einer kargen protestantischen Kirche und feiern einen Trauergottesdienst.

Szenenwechsel - die Straßenschluchten New Yorks halten uns gefangen, der Verkehr umtost uns, eine Feuerwehr rast zu einer Brandstätte, die Hektik droht alles zu ersticken. Die Stimme von Pär Hagström wird mit einem Verzerrer-Mikrofon entrückt. Dann ein Zirkuszelt - Löwen, Artisten und der unvermeidliche Clown, dessen unterschwellige Traurigkeit zu spüren ist.

Und immer wieder sehen wir vermeintlich unberührte Orte, ein Hauch von innerer Unruhe aber will nicht weichen. Next Stop: Horizon ist ein musikalisches Solitär, wir freuen uns auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr.

Die Setlist: Iron Train; She´s A Ghost; Up In The Air; The Night The World Came<br />Down; Tiny Wings; Ship In A Bottle; Telekinesis; Reed Organ Song, Jesus Gonna Be Here; Wild Escape; Circus; One Of Those Nights; Mysterious Grace

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Luc Stargazer in der Kulturwirtschaft Waldfrieden Leipzig

In der Veranstaltungsreihe FREISTIL, programmatisch von Hansi Noack betreut, steht die Band Luc Stargazer aus Dresden am heutigen Abend auf der, nun ja, Bühne. Das alles wirkt etwas improvisiert, aber sympathisch. Der Vergleich einer musikalischen Darbietung mit einem gastronomischen Menü ist nicht ganz abwegig. Das künstlerische Menü wird uns heute in drei Gängen, sprich drei Blöcken, serviert. Lazy Schulz (Vocals, Guitar, Programming), Kater Socks (Guitars), Stefan From Mars (Drums) und Christoph Then (Bass) spielen im ersten Gang, quasi als Vorspeise, unter anderem Stücke von ihrer 2011er EP "Evolution" wie "Stars On Horizon" und "Jupiter". Stilistisch bewegen sich die Musiker im
Kraftfeld zwischen Post Rock, Alternative und Ambient.

Die vier beherrschen ihr Handwerk, für den Geschmack des Rezensenten wirkt der Einsatz der Electronica allerdings etwas überambitioniert, die Musik ist dadurch sehr eingängig, aber hat auch den Touch des Austauschbaren und dem Mainstream verhafteten. An den schönsten Stellen gleitet die Musik in den Bereich des Spacigen.

Der Hauptgang und die Nachspeise haben mehr den Charakter einer Jam Session, die Band zeigt hier ihre wahren Stärken. Die Ambients werden zurückgefahren, Elemente von Stoner Rock werden in die Musik integriert. Das wirkt alles zupackender, zumal sich die Band auf Stücke von "normaler" Länge konzentriert und sich nicht in Endlosimprovisationen ergeht.

Dazu kommt, dass die im ersten Block vorhandenen Soundprobleme weitestgehend im Rahmen des Möglichen behoben wurden und auch der Lautstärkepegel um einige Grade angehoben wurde. Luc Stargazer plant für dieses Jahr die Produktion ihres ersten Albums, lassen wir uns überraschen.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch
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