Evgeny Ring Quartett - Zwischen Lyrik und Funk im Liveclub Telegraph Leipzig

Eine meiner ersten Jazzplatten war die als Supraphon-Pressung erschienene LP "Forest Flower" vom Charles Lloyd Quartett, erstanden bei einer Reise nach Budapest 1971. Diese Platte, 1966 live beim Monterey Jazz Festival aufgenommen, ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen war es eine der ersten Aufnahmen mit dem Pianisten Keith Jarrett, zum anderen war es einer der frühen Versuche, Rock und Jazz miteinander zu verknüpfen; in späteren Jahren trat das Charles Lloyd Quartett auch in Bill Graham´s Fillmore West vor einem vorwiegend aus Hippies bestehenden Publikum auf. Diese LP, bei der auch Cecil McBee am Bass und Jack De Johnette am
Schlagzeug mitwirkten hat mich bis heute begleitet und klingt immer noch modern. Warum diese lange Einleitung? Als Evgeny Ring vor einigen Jahren mit dem kalifornischen Drummer Louis Romanos im Nochbesserleben zu hören war, weckte dieses Konzert Erinnerungen an eben diese Platte. Nun ist einige Zeit vergangen und Tenorsaxophonist Evgeny Ring präsentiert mit dem Pianisten Sascha Stiehler, dem Schlagzeuger Dominique "Gaga" Ehlert und Bassist Philipp Rohmer sein eigenes Quartett und hat sich mittlerweile einen Namen in der Jazzszene gemacht. Das wurde auch mit einigen Preisen bei diversen Wettbewerben honoriert.

Evgeny Ring, aus Rostow am Don gebürtig, verfügt über eine erstaunliche Bandbreite seiner musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten. Da gibt es konsequentes Powerplay, verhaltene lyrische Passagen mit sonorem Klang und funkige Passagen mit Latino-Bezügen. Bei Sascha Stiehler hört man bei seinen harmonischen Solobeiträgen die Bezüge zur Klassik, er ist sich aber nicht zu schade, bei den rasanten Läufen des Quartetts auch rhythmische Akzente zu setzen.

"Gaga" Ehlert könnte auch in jeder guten Rockband hinter der Schießbude sitzen. Er verleiht der Formationen einen enormen Drive und ist unverzichtbarer Bestandteil des Kollektivsounds. Last Not Least, ohne Philipp Rohmer würde dem Quartett ein wichtiger Baustein fehlen. Sein differenziertes Spiel fügt sich nahtlos in das Geschehen ein. Während des Konzerts und auch ganz zum Schluss beweisen die Musiker, dass guter Jazz nichts mit Bierernst zu tun hat. Sie lockern das Ganze mit humorigen Ansagen auf und legen bei ihrer letzten Zugabe auch einen wahrscheinlich nicht so ernst gemeinten Pathos in ihre Musik. Man kann sicher sein, dass Evgeny Ring und sein Quartett mit ihrer frischen, unverbrauchten Musik noch etliche Jazzclubs im In- und Ausland zum Kochen bringen werden.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Johannes Enders Trio im Leipziger Liveclub Telegraph

Der Tenorsaxophonist und Multiinstrumentalist Johannes Enders ist eine gestandene Persönlichkeit im Jazzgeschäft und bekannt für seine genreübergreifenden Aktivitäten. An diesem Abend hat der Leipziger Live Club Telegraph zur Vorstellung seiner neuen CD "Mondvogel" mit seinem gleichnamigen Trio eingeladen. Der Mondvogel ist ein großer Nachtfalter und wird von Johannes Enders als Synonym für das Streben nach dem Licht verstanden. Im Trio mit dem dänischen Kontrabassisten Andy Lang und dem Berliner Schlagzeuger Sebastian Merk fokussiert er sich auf sein Saxophonspiel. Und da hat er jede Menge zu bieten. Seine Musik steht fest auf dem Fundament der modernen Jazztradition und baut darauf einen
Mikrokosmos auf, der eine ruhige und intime Atmosphäre verbreitet.Johannes Enders Spiel definiert sich über den Sound, und der ist einzigartig. Das Programm ist durch viele Balladen geprägt, Spannungsbögen werden erzeugt und wieder abgebaut, solistische Glanzpunkte gesetzt.

Seine Begleiter sind weitaus mehr als eine normale Rhythmusgruppe, hier wird integratives Spiel in höchster Vollendung vollzogen. Mal sind es Soli, mal rhythmische Veränderungen die in das Kollektivspiel eingewoben werden. Es macht einfach Spaß, dieses Trio in seinen musikalischen Interaktionen zu erleben.

Zu den letzten drei Stücken (incl. einer Zugabe) werden der Pianist Sascha Stiehler und der Altsaxophonist Antonio Lucaciu auf die Bühne gebeten und so das Trio auf ein Quintett erweitert. Beide werden vom ersten Moment an in das Spiel einbezogen und erhalten in dieser Session genügend Raum, um mit ihren Soli brillieren zu können. Das Tempo der ersten beiden Sessionstücke steigert sich, die Combo versetzt den Raum in energiegeladene Schwingungen. Der Titel zum Abschied ist wieder eine fast melancholische Ballade, noch einmal zeigen die Musiker um Johannes Enders ihre Fähigkeit, Musik für Hirn und Herz zu kreieren.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Der Empfang im Neuen Schauspiel Leipzig

Das Neue Schauspiel Leipzig hat zur CD Release-Party geladen. Musiker aus Leipzig und Berlin haben sich unter dem Bandnamen Der Empfang zusammengeschlossen und ihr gleichnamiges Erstlingswerk produziert. Dieses soll nun Live zu Gehör gebracht werden. Doch vorher betritt als Support der aus Odessa stammende Sänger und Gitarrist Maxim Levinstein mit seinem Partner Frithjof Rödel die Bühne. Sie eröffnen ihren Set mit einem Tango, der seinen Ursprung an der Schwarzmeerküste hat. Anschließend folgt ein Lied, das an Tom Waits´ "Frank´s Wild Years" - Trilogy erinnert, in der er verschiedene Titel mit osteuropäischen Nuancen versah. Dann eröffnet ein Song über Träume einen
Block, bei dessen Liedern der Einfluss amerikanischen Folk- und Westcoast Rocks unüberhörbar ist. Frithjof spielt eine exzellente E-Gitarre, die dem Gesang und dem Spiel Maxims auf der akustischen Gitarre eine zusätzliche Dimension verleiht. Maxim singt alles in seiner Muttersprache odessisch (russisch). Den Schlusspunkt eines sehr gelungenen Auftritts bildet eine freie Improvisation gemeinsam mit dem Drummer Beat Freisen. Um 1960 war die große Zeit der Gitarrencombos. Sehr populär waren u.a. die Shadows, die Ventures und die Spotnicks. In den Tanzsälen (mit Glitzerkugel und UV-Licht) wurden diese Gruppen damals sehr gern kopiert, den reproduzierenden Musikern standen als Vorlage meist nur mehr oder weniger gute Tonbandmitschnitte zur Verfügung. Dieses und das oft über das amateurhafte nicht hinausgehende Können der Combos trugen manchmal zu einer unfreiwilligen Komik der Veranstaltungen bei. In diese Zeit werden wir mit dem Programm von Der Empfang zurückversetzt.

Die Band nennt ihre Musik Avantgarde-Schlager und braucht keinen Gesang, um die Liedtitel mit Leben zu erfüllen. Das alles hat einen Anstrich von heiler Welt, der aber durch gekonnte Persiflierungen und Übertreibungen schnell Kratzer bekommt. Die Besetzung der Band besteht aus zwei Gitarren - Timo Klöckner und Jörg Wolschina - , Keyboards - Arpen - , Bass - Jakob Müller - und Drums - Beat Freisen. Das Programm beginnt mit dem scheinbar harmlosen Werk "Picknick am Wegesrand". Die Ansage beraubt uns aber aller Illusionen - beschrieben wird der Spaziergang eines Paares am Leipziger Auensee mit dem anschließenden Fund einer Wasserleiche. Hierzu kann jeder zur Musik seine eigenen Assoziationen herstellen, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

So ist es auch bei den im Programm folgenden Titeln: Im "Elefantenlied" wird ein trunkener Elefant mit Tom Waits verkuppelt, auch bei "Russendisko I und II" spielen Alkohol und andere Drogen eine Rolle. "Alexandra" spielt auf die Vorliebe von Timo Klöckners Vater für die Schlagerikone gleichen Namens an. Im Zugabeteil folgt noch eine Hommage an Edgar-Wallace-Krimis bevor mit "Sway" die Titanic sinkt und danach eine gut unterhaltene Zuhörerschaft zur Party entlassen wird. Die Band ist sich ihrer Stilmittel sicher, bei genauem Hinhören lassen sich hinter der Fassade Avantgarde-Schlager Ansätze einer potentiellen Jam Band erahnen.

Setlist: Picknick am Wegesrand; Elefantenlied; Monster; Alexandra; Russendisko; Finn; Schlager; Russendisko II; Drei Fragezeichen; Sway

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Eleni Mandell und Sylvie Lewis - 2 Ladies from California in der naTo Leipzig

Aus dem sonnigen Kalifornien sind zwei gestandene Singer-Songwriterinnen in das winterliche Leipzig gereist, um hier ihre Europatournee zu starten. Den Beginn macht die aus London stammende Sylvie Lewis, die sich mit akustischer Gitarre und Ukulele begleitet. Ihr sehr persönlicher und eher unspektakulärer Auftritt zeigt ine erstaunliche Bandbreite. Sylvie Lewis ist offen für die amerikanische Folktradition, Ausflüge in Richtung Chanson, Vaudeville oder Gospel gehören aber auch zu ihrem Repertoire. Abgerundet wird ihre Performance von ihrer angenehmen Stimme. Eleni Mandell aus Los Angeles ist eine bekennende Verehrerin von Tom Waits, dessen Einflüsse bei einigen ihrer Titel deutlich hörbar sind. Sie verzichtet auf
musikalische Begleiter, abgesehen von einigen Stücken, bei denen sich Sylvie Lewis zu ihr auf die Bühne gesellt. Stimmlich bewegt sie sich im Raum zwischen einem etwas rauchigen Timbre und sehr klarer Tongebung bei eher poppigen Songs.

Akustische Gitarre sowie Ukulele sorgen für den instrumentalen Background. Bei den meisten Stücken von Eleni Mandell wird deutlich, dass sie mit beiden Beinen fest auf dem Boden der amerikanischen Singer-Songwritertradition steht, nicht zu verkennen sind aber auch Bezüge zum Jazz. Das bedeutet allerdings nicht, dass Eleni Mandell die üblichen Klischees bedient, im Laufe ihrer Karriere hat sie sich einen sehr individuellen Stil erarbeitet, der auch vor Ecken und Kanten nicht halt macht.

Ihr Programm besteht zum größten Teil aus Titeln ihres 2012 veröffentlichten Albums " I Can See the Future", das auf ihrem eigenen Label erschien. Leider haben solistische Auftritte manchmal den Nachteil, musikalische Bandbreiten nur andeuten zu können. Schön wäre es, Eleni Mandell bei ihrer nächsten Tour mit einer Band erleben zu können.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch

Electric Moon - German Acid Rock in FOUR ROOMS Leipzig

Mit mächtigem Bums starten Rusk aus Leipzig/Zörbig in den heutigen Abend. Das beeindruckt zunächst, aber spätestens beim dritten Titel wird man den Eindruck nicht los, dass mit dieser enormen Lautstärke eine gewisse Einfallslosigkeit übertüncht werden soll, denn die Stücke der Band haben doch sehr große Ähnlichkeit miteinander. Daran ändern auch die Versuche nichts, mit partiellem Keyboardeinsatz etwas Subtilität in das Ganze zu bringen. Dave Schmidt alias Sula Bassana ist eine der umtriebigsten Gestalten in der deutschen Space/Psych - Szene.

Neben mehreren Bandprojekten veröffentlicht er auf seinem kleinen aber feinen Sulatron - Label sowohl die Musik von Gruppen wie Vibravoid oder Zone
Six als auch eigene Solo- und Bandarbeiten. Sein neuestes Baby nennt sich Electric Moon und besteht seit 2010. Multiinstrumentalist Dave Schmidt hat heute die Gitarre mit dem Schlagzeug vertauscht und kreiert zusammen mit Lulu am Bass einen unerschütterlichen Rhythmushintergrund für die die spacige Gitarre.

Die Musiker geben den Stücken Zeit und Raum, sich zu entwickeln. Auf einem breit angelegtem Fundament werden nach und nach stetig wachsende Soundgebirge errichtet. Die Intensität steigert sich kontinuierlich, die klanglichen Möglichkeiten der Gitarre werden bis in den letzten Winkel erforscht. Besonders beeindruckt, dass die Band die Kunst beherrscht, jedem Titel eine eigene Dynamik und Dramaturgie zu verleihen. Dazu dienen auch eine Vielzahl von Effektgeräten, die aber nicht als Selbstzweck verwendet werden. So werden den Saiteninstrumenten knarzende, kreischende, sphärisch wabernde, fiepende und splitternde Töne entlockt. Damit verbinden sich Passagen, in denen das Tempo plötzlich angezogen wird um dann wieder zu entschleunigen. Die Tracks haben den Touch der Improvisation, eine gestalterische Handschrift ist aber immer spürbar. Phasen meditativer Ruhe wechseln mit rhythmisch akzentuierten, den Zuhörer packende, Passagen. Die Band hat in dem eine guten Stunde dauernden Konzert alles gegeben und ist trotz lang anhaltendem Applaus leider nicht zu einer Zugabe zu überreden.

Text und Fotos Dieter Lange für radio-mensch
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